In ihrer Arbeit Wie man eine Seele baut zeigen Monica Studer
und Christoph van den Berg Seelenmodelle aus Gips und Styropor.
Die Seelenformen berechnen sie mit Hilfe eines selbst entwickelten Computerprogramms.
Für die Grundform der reinen Seele gehen sie von einer Kugel aus, das
Programm errechnet aus individuellen Dateneingaben die entsprechende Abweichung.
Auf dem Monitor erscheint als virtuelle 3D-Gestalt ein gewölbter, verdrehter
und zerbogener Körper, den die Künstlerin und der Künstler
massstabgetreu in eine Gips- oder Styrporform umsetzen. Diese Skulpturen
nennen sie Seele, oder genauer: das Modell zur Seele der Person, von der
die Eingaben stammen.
Im Kunstspiel sind also die Eingabe von Daten, das sie verarbeitende
Programm und sein errechnetes Produkt. Hinter dem Spiel stehen die Künstler
als Regelmacher, im Spiel die Klienten als Auftraggeber ihrer Seelenberechnung
und vor dem Spiel stehen wir und reiben uns entgeistert die Augen. So sollen
Seelen aussehen?
Da zappeln wir in der Falle und stellen uns die Seele vor. Wenn man
sich abstrakte Dinge vorstellen will, wie Liebe, Charakter und Seelen, wirds
objektiv diffus. Man versucht zu konkretisieren: Liebe kann man machen,
Charakter kann man haben, eine Seele hat man, sagt man. Wie reagieren wir
in der Begriffsfalle des Künstlerpaars? Wir bleiben ernst und analysieren
das System. Eingegeben werden der Name des Klienten und die Daten einer
Karteikarte, welche er oder sie, die Klientin, aus der Kartei "Stadt
D" auswählt. Diese Karte enthält Angaben zu Gebäuden,
und die Klientin wählt vermutlich die Karte mit ihrem favorisierten
Gebäudekomplex. Nach diesen Eingaben wird die persönliche Seele
berechnet. Wenn wir jetzt denken "Oh Gott, wie plump!", zappeln
wir wieder. Wir haben zwar nicht klinisch fundierte Daten in einem
wissenschaftlichen System erwartet, aber wenigstens ihre glaubwürdige
Fiktion.
Studer / v d Bergs Kunst deliriert in den nicht kompatiblen Sphären
von technischer Wissenschaft und mystischer Kultur. Und wir delirieren mit,
schon lange vor ihrer Fragestellung. Als Kind haben wir gelernt, es gibt
eine Seele, auch ich habe eine. Und seit unserer Kindheit glauben wir an
die Wissenschaft als objektivierendes Frage-und-Antwort-System. Der Urknall
ist wahr, die Genesis nur symbolisch zu verstehen, der Körper ist wahr,
die Seele nur eine metaphysische Grösse. Haben Frauen Seelen (eine
Frage noch vor 100 Jahren), haben Tiere Seelen, wenigstens die Menschenaffen?
Sind die Menschenrechte vom Seelenbesitz abhängig und wie ist das bei
der Abtreibung? Ist Seele = Ich oder haben wir den Begriff, weil er nicht
mehr greift, längst aufgeben? Dann ist Seele endgültig nur noch
ein schwäbischer Diminutiv.
Mit dem Wort Seele richtet das Künstlerpaar erstaunlich viel an.
Ein lächelndes Nachdenken, ein ungläubiges Überprüfen,
eine leerlaufende Imaginationsanstrengung.
Was bleibt, wenn wir vom Seelenbegriff absehen? Eine wissenschaftlich
anmutende Methode: Input, Programm, Output. Das Künstlerpaar füttert
die Maschine und delegiert den Akt der Formgebung an die Software. Erst
zum Schluss treten die Programmierer wieder als Handwerkerinnen auf, sie
realisieren die Entwürfe massstabgetreu in Gips und Styropor. Die Formen
wirken organisch, stecken voller kunsthistorischer Erinnerung und sind doch
keine abstrakten Skulpturen. Sie sind auf der Stufe des Modells konkretisierte
Seelen.
Da sind wir wieder ins Spiel zurückgekehrt und spielen es gern.
Wir glauben an die Atommodelle der Wissenschaft und machen vergnügte
Miene zum Seelenmodell der Kunst. Am Grenzort zwischen Metaphysis und Form
war sie schon immer zu hause, immer schon versuchte sie den Dingen und uns
einen Sinn einzutreiben und die Seele herauszukitzeln.
Studer und van den Bergs Kunst ist Science Fiction vom feinsten, sofern
wir nur den Kopf hinhalten.
mehr Material über Seele messen
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