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Valie Export
»Tapp- und Tastkino«, 1968.

Die Vorführung findet wie stets im Dunkeln statt. Nur ist der Kinosaal etwas kleiner geworden. Es haben nur zwei Hände in ihm Platz. Um den Film zu sehen, d.h., in diesem Fall zu spüren und zu fühlen, muß der Zuschauer (Benutzer) seine beiden Hände durch den Eingang in den Kinosaal führen. Damit hebt sich der Vorhang, der bisher nur für die Augen sich hob, nun endlich auch für beide Hände.
Die taktile Rezeption steht gegen den Betrug des Voyeurismus. Denn solang der Bürger mit der reproduzierten Kopie sexueller Freiheit sich begnügt, erspart sich der Staat die sexuelle Revolution. »Tapp- und Tastkino« ist ein Beispiel für die Aktivierung des Publikums durch neue Interpretation.
Zitat: Valie Export

Diese Straßenaktion auf dem Stachus in München übersetzt das Konzept des Expanded Cinema und die Verwurzelung des Kinos im Rummelplatz in den »ersten direkten Frauenfilm«, wie die Künstlerin das »Tapp- und Tastkino« nennt. Der »öffentliche« Zugriff – zeitlich begrenzt auf eine halbe Minute pro Person – wird dabei marktschreierisch von Peter Weibel angepriesen. Das Kino wird auf unmittelbare Weise als Projektionsraum männlicher Phantasien vorgeführt.

http://www.medienkunstnetz.de/werke/tapp-und-tastkino/

Abramovic / Ulay: Imponderabilia. (Bologna, 1977)
Die Pornokino-Kritik bei Valie Export enthält eine Pointe, welche generell auch das neuzeitliche Kunstverständnis berühren kann, und die sich auch in der "Nichtberührungs"-Performance 'Imponderabilia' von Abramovic und Ulay spiegelt: Was (ihr Männer) soll dieses distanzierte Hinsehen bedeuten, dieses sich selbst Raushalten, anonym Bleiben, aus dem Dunkeln des Kinosaals Gaffen?
Export: Sexualität ist doch hoch interaktiv, hautnah alle Sinne berührend.
Abramovic/Ulay: Ihre Kunst verlangt von den Künstlern explizite Subjekt-Präsenz und vom Publikum Partizipation: Es kann sich nicht in distanzierter Betrachtung zurücklehnen.

Bei Valie Export und A/U gerät mit den Sexfilmen auch die visuelle Kunst in Verdacht, eine medial beschränkte, auf einen Sinn fixierte Vorstellung für distanzierte Gaffer zu sein. Politisch ist diese Haltung höchst fragwürdig - und diese Befragung leisten die Künstlerinnen mit ihrem Werk