Vortrag zum Panel netsplit, Künstlerhaus Bethaninen, im Rahmen der transmediale, Februar 2001. Organisiert von Gerrit Gohlke und Vali Djordjevic

Netsplit? - Netlink!
Yvonne Volkart
Wir sind zu diesem Panel eingeladen worden, um über einen von den OrganisatorInnen prognostizierten Netsplit zu diskutieren. Gerrit Gohlkes der Diskussion vorangestellte These lautet grob zusammengefasst, dass die Praktiken der Netzkunst zu Beginn ihres Auftretens netzbezogen und aktivistisch waren, in einer zweiten Phase vom Kunstbetrieb gehypt und institutionalisiert wurden und dass sich nun in einer dritten Phase eine Spaltung abzeichne: Die eine Fraktion wende sich traditionellen Kunstpraktiken zu, das heisst, ein Rückzug zu objektgebundenen Projekten im Realraum finde statt, die andere trenne sich vom Kunstkontext und gebe sich, wie zu Beginn, wieder aktivistischen Praktiken hin. In dieser Perspektive hat Netzkunst sowohl die eigenen als auch die vom Kunstbetrieb geäusserten Erwartungen nach Real-Life-Infiltration nicht erfüllt und sich entweder traditionell-repräsentativen Kunstformen angepasst oder auf nichtkünstlerische, interventionistische Praktiken verlegt. Die Frage an uns lautete also, ob die Netzkunst versagt habe und überschätzt wurde.

Diese These vom Netsplit möchte ich aus folgenden zwei Gründen anzweifeln:

1. Ich glaube nicht, dass sich Netzkunst nur innerhalb des vorgeschlagenen Schemas bewegt (hat), so dass man daraus den logischen Schluss ihres Endes ziehen kann. Obwohl viele ProtagonistInnen der legendären net.art-Szene heute nicht mehr direkt net.art machen, heisst das nicht, dass Netzkunst versagt hat, überschätzt wurde oder zu Ende ist. Gerade Natalie Bookchins Netzpraxis, wie sie sie ja selbst anschaulich darlegte, widerlegt dieses Argument. Aus meiner Perspektive ist Netzkunst mehr als net.art, respektive als das, was die net.artists propagierten, und mehr als nur Reflexion über und interventionistische Inszenierung der Funktionsweise und Ästhetik von Internet, World Wide Web und globalen Datenströmen. Netzkunst ist in Bewegung, und sie ist dabei, ein solch selbstverständliches Medium ästhetischer Artikulation zu werden wie jedes andere Medium auch. Trotzdem hat der von Netsplit und anderen behauptete Hype nicht stattgefunden, auch wenn in letzter Zeit vermehrt Kunstinstitutionen Interesse an Netzkunst anmelden und bis anhin traditionell arbeitende KünstlerInnen anfangen, Netzprojekte zu konzipieren.
Ebenfalls finde ich Begriffe wie Netzkunst problematisch, weil sie künstlerische Praktiken ausschliesslich unter dem Aspekt ihrer Medienspezifik zusammenfassen. Das ist nicht nur eine traditionelle Art der Zuschreibung, sondern sie wird auch vielen aktuellen Cross-over-Praktiken nicht gerecht und trägt der inhaltlich-ästhetischen Dimension nicht Rechnung.

2. Obwohl ich, wie Sie noch sehen werden, gerade nicht behaupten möchte, dass Kunst und Aktivismus gleich sind, haben die beiden, insbesondere wenn es sich um engagierte Kunst mit Aufklärungstendenzen handelt, strukturelle Ähnlichkeiten: Man informiert, reflektiert, agitiert, zersetzt medieninhärente Ideologien etc. Kunst und Aktivismus müssen sich, sogar in der Phase partieller Institutionalisierungen und Vermarktbarkeit, nicht auschliessen, wie das die meisten Diskurse darüber, und auch der von Netsplit, suggerieren. Allein die Tatsache, dass viele ProtagonistInnen oft in beides gleichzeitig involviert sind, ist aufschlussreich und zeigt, dass für bestimmte Ziele die eine Praxis der anderen vorzuziehen ist und dass ihr Nebeneinander hybride Formen kultureller Praktiken hervorbringt, die nicht notwendigerweise in der institutionellen Reterritorialisierung ihr Ende finden müssen. Ich plädiere vielmehr dafür, gegen das Fantasma der Wirksamkeit von Aktivismus versus die Wirkungslosigkeit von Kunst anzugehen und zu fragen, ob in einer Zeit, in der Information zur neuen Religion wurde, der tendenziell eher ästhetische Informationsgehalt von Kunst nicht ebensoviel auslöst wie die aktivistische Tat, die bezüglich ihrer Strategien und Taktiken gerade auch gerne aus dem künstlerischen Fundus schöpft. Darüber möchte ich kurz anhand meiner eigenen Praxis als Kuratorin und Theoretikerin sprechen. Die Intention eines Projekts von mir war unter anderem aufzuzeigen, dass Kunst und Aktivismus, dann, wenn es um Fragen der Widerspenstigkeit [unruliness] geht, einander sinnvoll ergänzen können.

Netzkunst als kulturelle Praxis
Als ich mich für Netzpraktiken zu interessieren begann, hatte das tatsächlich viel mit der Euphorie von politischer Veränderung zu tun, die man sich mit dem Netz als adäquates Mittel dazu erhoffte. Auch ich hatte etwas genug von der Immanenz des Kunstbetriebs und suchte eine wirklich progressive Auseinandersetzung mit neuen Technologien, die die traditionelle Kunstszene zudem auch noch nicht leistete. Ich war an neuen Ästhetiken und neuen Medien als Mittel zukunftsträchtiger Fantasien und Gegenmythen interessiert. Allerdings entdeckte ich keine neue Ästhetik, und erst heute finde ich das eigentlich nicht mehr enttäuschend, sondern in gewisser Weise verständlich. Denn wie Lev Manovich im Katalog zu Vuc Cosic’ Ascii-Arbeiten fragte, wie soll sich die Ästhetik ändern, wenn sich die Ökonomie nicht ändert? "Net.Kapitalismus ist immer noch Kapitalismus."
Es gab aber viele spannende Leute, die im Netz und mit dem Netz subversiv spielten, sich die sogenannten neuen Technologien angeeignet hatten und über deren Funktionen und Ideologien reflektierten. Das waren die net.artists und die Leute um die mailinglist nettime. Im Gegensatz zu den damaligen ProtagonistInnen ging es mir nie nur um das Netz, bloss hatte man das Gefühl, dass sich dort am meisten tat. Dass man neue Medien anders als vorgesehen nutzt/e, neue Kontexte, Szenen und damit medienimmanente Diskurse aufbaut, die Reflexion und Aktion in einem sind, das finde ich heute noch die wichtigste und kreativste Leistung von Netzkunst. Dass kritische Reflexion nicht mehr als Distanznahme, Modellhaftigkeit und Repräsentation gedacht werden konnte, sondern direkt, interventionistisch, kollaborativ, öffentlich und global war, ist ihr Faszinosum. Dieser Aspekt unterscheidet Netzpraktiken einerseits von traditionellen Kunstformen, andererseits führen sie engagierte, communitybasierte Praktiken weiter, wie sie besonders im Videoaktivismus und in der engagierten Videokunst entwickelt wurden.
Es gibt und gab also neben den Unterschieden auch Anknüpfungspunkte zwischen Kunst und Netzpraxis. Dennoch ist es aus meiner Sicht mit ein paar Ausnahmen nicht zu einem Hype gekommen. Worin liegt das? Einer der Gründe mag sein, dass sich viele Netzkunstpraktikerinnen kaum mit der Geschichte, Ästhethik und Funktion des Kunstbetriebs auseinandersetzten. Sie waren eher mit der eigenen Geschichte, Ästhetik und Mythisierung beschäftigt, die sich auf netzspezifische, technische und communitybasierte Gegebenheiten bezog. Liest man die Interviews aus jener Zeit, fällt einem oft sogar eine naive und vorurteilsbeladene Distanznahme zum Kunstbetrieb auf. Das ist okay so, bloss führt es dann eben nicht unbedingt zu einem wirklich produktiven und kritischen Austausch. Umgekehrt herrschte auch Desinteresse: Netzkunst verlangt oft viel technisches Know How und Spielfreudigkeit. Es waren und sind im Moment immer noch zwei verschiedene Kontextsysteme, die sich aber systematisch einander annähern.

Widerspenstige Praktiken
Im Frühjahr und Sommer 2000 organisierte ich im Swiss Institute in New York und in der Shedhalle in Zürich die beiden Ausstellungen "Tenacity. Cultural Practices in the Age of Bio- and Informationtechnologies" und "Widerspenstige Praktiken". Von NetzkünstlerInnen und -aktivistInnen waren u.a. Ricardo Dominguez, Bureau of Inverse Technology, Diane Ludin, Francesca da Rimini, rtmark, Basicray, Matthew Fuller, Marco Deseriis, Natalie Bookchin vertreten. Das Austellungsprojekt war gedacht als ein Zusammenführen kritisch-produktiver Praktiken, die "Widerstand gegenüber den Ökonomisierungen des Kulturellen sowie der Universalisierung neuer Technologien und deren Funktion der Konsolidierung multinationaler Konzerne formulieren." Ich wollte ein Statement machen gegen den affirmativen Umgang mit neuen Technologien und den unkritischen Umgang mit Technofantasmen, wie sie nicht nur häufig die Kunstszene prägt, sondern unsere gegenwärtige Kultur und Ökonomie generell. "Widerspenstige Praktiken behauptet, dass im posthumanen Zeitalter von Kulturalisierung des Politischen, Ästhetisierung existentieller Lebenspraktiken und Virtualisierung des Realen die Kunst ein privilegierter Ort von realem und symbolpolitischem Widerstand sein kann, den es vielfältig und offen zu erproben gilt. Diese Ausstellung zeigt auf, dass es einen avancierten Umgang mit neuen Medien jenseits technodeterministischer Zwänge gibt." Es ist für mich nach wie vor zentral, mit KünstlerInnen zusammenzuarbeiten, die Formen von Widerspenstigkeit und Widerstand gegen ökonomistische Vereinnahmungen entwickeln, denn ich halte "Kunst" und Theorie für relevante Faktoren der Symbolproduktion. Insofern wollte ich auch den Kunstkontext nicht nur nutzen, um AgentInnen aus verschiedenen Gebieten zusammenzuführen, sondern auch um zu zeigen, dass das Feld der Kunst heterogen und vielfältig nutzbar ist und nicht nur im Dienste neoliberaler Diskurse steht, wie das inbesondere von der Seite von NetzaktivistInnen immer wieder suggeriert wird.

Das Problem, gegen das ich bald anzukämpfen hatte, war neben der Tatsache, dass beide Institutionen low-budget-Betriebe waren, die nicht in aufwendige Computertechnologie investieren konnten, die prinzipielle Unausstellbarkeit von Netzkunst. Netzkunst ist im Wesentlichen für den/die InternetuserIn am Monitor konzipiert und bezieht sich fast ausschliesslich auf den virtuellen Space des Netzes. Traditionelle Ausstellungsräume hingegen wollen Modellwelten im Real Space kreiieren - zwei völlig gegenteilige Interessen. Man versucht diesem Problem damit Abhilfe zu schaffen, dass man Netzkunst musealisiert, das heisst, dass man pro Projekt einen Monitor oder Beamer zur Verfügung stellt. Das widerspricht abe nicht nur einer der Grundfunktionen und -implikationen des Netzes, das gerade nicht auf Einzigartigkeit und Individualität beruht, sondern es kann auch nicht von der Tatsache befreien, dass die zentrale Schnittstelle der Arbeit die Computerhardware ist. Diese erscheint zwar mittlerweile wie die Videomonitore als ästhetisch neutralisiert, sie aber natürlich dennoch ein limitiertes und signifikantes Interface.
Zum Problem der fundamentalen Nicht-Ausstellbarkeit kam, dass die meisten Arbeiten, da sie einerseits einen kritischen Inhalt produzierten und andererseits an die ästhetisch beschränkten Möglichkeiten des Netzes gebunden waren, unweigerlich einer gewissen anti-illusorischen Informationsästhetik verhaftet waren. Ich träumte aber eigentlich immer von Widerspenstigkeit als etwas Fluidem, Flüchtigem und virtuell Unfassbaren. In gewisser Weise erfüllten diese Arbeiten diesen Aspekt auch, aber rein visuell sah man sich eben doch oft nur mit einem unbewegten Photoshop-Bild konfrontiert oder musste mitten im Geschehen wieder auf das Laden des Plug-Ins warten und starrte den Monitor als Monitor an.
Deshalb setzte ich auf ein Ausstellungsdesign, das Eintauchen in elektronische Welten und ein Sich-Anschliessen an immaterielle Datenströme bewusst machte. In New York stellten wir das mit semitransparenten, hinunterhängenden und durch Schlitze passierbaren Plexiglasfolien als Projetionsflächen her. In Zürich kreierte der Künstler Eric Schumacher eine fantastisch wirkende Cyberlandschaft aus billigem Plastikmaterial, auf das man ebenfalls projizieren und die Herkunft der Bilder verfremden konnte. M.a.W.: Der von mir erträumte virtuelle Netz-Raum liess sich ohne grossen Kosten mittels traditioneller gestalterischer Mittel realisieren und lieferte ein optimales Szenario für die einzelnen Arbeiten, die im Raum zu sternförmigen, miteinander kommunizierenden Gruppen konstelliert waren.
Als ich vom neuen Kunstmuseum Luzern, diesmal eine Mainstream-Kunstinstitution, angefragt wurde, eine Ausstellung zum Thema Körper zu konzipieren, war mir klar, dass Internetarbeiten einen wesentlichen Part spielen werden. Ich entschied mich nebst einer Installationstour für eine ebenfalls von Eric Schumacher gestaltete Medialounge, die gemäss der Implikationen der neuen Medien konsequent als sorgfältig selektionierte Mediathek funktionieren soll. Es wird also keine museale Präsentation der Netzarbeiten geben, dafür wiederum eine grosse emotionale Präsenz des Displays als floating space. Die übliche Ästhetik von Video- und Computergeräten wird in einer Art Hochhausmodell zum Verschwinden gebracht.

Zusammenfassend meine ich, dass die Problematik des institutionellen Umgangs mit Netzkunst daher kommt, dass sie im Kern die Fundamente des traditionellen Ausstellungswesens, das auf Repräsentation im Realraum basiert, sprengt, und dass man ratlos ist, wie man damit umgehen soll. Theoretisch hat man zudem die gemeinsamen Ziele, Inhalte und Ästhetiken noch nicht herausgearbeitet, sondern sich entweder auf "Kunst" oder "Netzpraktiken" kapriziert. Dass es keinen richtigen Markt etc. gibt, wie immer wieder lamentiert wird, scheint mir nicht das wirkliche Problem zu sein. Tatsächlich fördert er eher Mainstreamkompatibilität. Wenn man sich einmal davon verabschiedet hat, mit seiner/ihrer Kunst/Theorie etc. ein relevanter Ökonomiefaktor sein zu wollen, und das tun insbesondere im engagierten Bereich die meisten KünstlerInnen, dann wird evident, dass das Fehlen der Ökonomie auch eine Chance ist, die besagt, dass die Ökonomie trotz der herrschenden Ökonomisierung von Kultur noch nicht alle gefressen hat.


Connektive Anschlüsse
Kunst wird oft, gerade von seiten der AktivistInnen, als etwas Verdächtiges, Konformes, Institutionalisiertes und Kapitalistisches betrachtet. Man stellt sie als nahtlos in die Alltagsästhetik übergegangen dar, die ihren Avantgardeanspruch pervertiert hat. Aktivistische Gruppen und simulationistische Spiele wie die von rtmark werden als die neue, wahre Avantgarde hochgehalten, weil sie sich nicht am Ausverkauf der Kunst an den Lifestyle beteiligten, sondern künstlerische Strategien für politische Zwecke einsetzten. Bei solchen Argumentationen gerät allzu leicht aus den Augen, dass die Kunst kein homogenes Feld ist, sondern durchzogen von vielfältigen Interessen und Ideologien. Wenn man von einem Split sprechen kann, dann vielleicht von dem zwischen Mainstream und Engagement. Dieser Split, oder diese Splits durchziehen verästelt alle gesellschaftlichen und kulturellen Sphären, nicht nur die Netzszene.

Wie ich zeigte, spielen in meiner Tätigkeit künstlerische Praktiken, die mit und im Netz arbeiten, weil sie spezifische Inhalte und Möglichkeiten unserer Informationsgesellschaft besonders ausdifferenzieren, eine zentrale Rolle. Letztlich aber interessiert mich eine Durchmischung der Medien mehr als ihre Sektion. Trotzdem werde ich im Rahmen einer Ausstellung über Identitäten der EA-Generali-Foundation Wien einen Internetpart kuratieren. Letztere ist eine private Ausstellungsinstitution, die sich seit ihrem Bestehen marginalisierten konzeptionellen Kunstarbeiten, insbesondere Videos, gewidmet hat. Es ist also verständlich, dass eine solche Institution Interesse an Netzkunst markiert. Und ich sehe es als meine Funktion an, zur Vermittlung beizutragen.
Meine Arbeit, die insofern eine institutionelle ist, als ich als Freelancer für Ausstellungshäuser und Magazine arbeite und auch eine Doktorarbeit mache, verstehe ich als eine partnerschaftliche. Ich helfe mit, Kontexte für künstlerische und manchmal eben auch aktivistische Praktiken zu produzieren. Dabei suche ich nach dem gemeinsamen Diskurs und nach gegenhegemonialen Modellen. Mir geht es nicht nur um aktivistisch orientierte Kunst, wofür Natalie plädierte. Vielmehr gehe ich davon aus und setze mich dafür ein, dass Kunst, Netzkunst als kulturelle und kritische Äusserung denselben Stellenwert beansprucht wie Netz/Aktivismus oder Netz/Theorie.
Während Immanuel Wallerstein von "Kultur als ideologischem Schlachtfeld des modernen Weltsystems" spricht, prägte Johan Galtung den Begriff der "kulturellen Gewalt". Er sagt: "By cultural violence we mean those aspects of culture, the symbolic sphere of our existence - exemplified by religion and ideology, language and art, empirical science and formal science (logic, mathematics) - that can be used to justify or legitimize direct or structural violence." Weiter sagt er: "Direct violence is an event; structural violence is a process with ups and downs; cultural violence is an invariant, a permanence." In meinem Einführungsvortrag für "Tenacity" bezog ich mich auf die beiden Theoretiker, um aufzuzeigen, dass Kunst in unserer Gesellschaft eine bedeutende bewusstseinsverändernde Position beanspruchen kann, auch wenn sie vielleicht keine sichtbaren Erfolge verbuchen kann wie etwa der Toywar. Allerdings müssen bei letzterem die sensationellen Erfolgsverbuchungen auch als Teil des Spiels der Infiltration von Fehlinformation betrachtet werden. Sie sind mithin auch relativ.
Insofern wende ich mich gegen vereinnahmende undifferenzierte Versuche, Kunst dadurch zu repolitisieren suchen, dass man aktivistische Praktiken zu künstlerischen und zur neuen Avantgarde erklärt. Eine solche Haltung ist hiearchisch und zahlt den kontextuellen Unterschieden keine Beachtung. Der Toywar ist, obwohl er mimetische Appropriationsstrategien global inszenierte und mit Spass und Lust verfuhr, keine "Kunst" im eigentlichen Sinn. Aber er lässt sich mit Zielen und Praktiken aus der Kunst vergleichen, deshalb war er Gegenstand der Auseinandersetzung in "Tenacity".

Einseitig ist es auch, aktivistische Events ständig an den Kunstkontext anzudocken, um finanziell oder von dessen Autorität zu profitieren, ohne sich auf dieses System zu beziehen und es zu kritisieren. Diese parasitäre Strategie, die vorgibt, sich nur für Netzinhalte einzusetzen, tut letztlich nicht nur nichts zur Aufweichung der Hierarchien und Distinktionen zwischen Kunst und Netzaktivismus, sondern sie unterstützt sogar noch die relativistische Tendenz vieler Kunstinstitutionen.

Spannend wird es, wenn die Durchweichung beider Sphären Einzug hält und man sich gegenseitig auf die fundamentalen Infragestellungen, die die jeweils andere Sphäre auslöst, einlässt. Ich halte Fragen von gemeinsamer Diskursivität und kritischer Distanz trotz den Tendnezen des Informationszeitalters, alles mit allem ereignishaft zu verschalten, für nicht am Ende angekommen. Obwohl ich das Unmittelbare von Netzpraktiken schätze, halte ich den Ausstellungskontext mit seiner Fokussierung auf Modellhaftigkeit, Präsenz und Repräsentation auch für ein geeignetes Mittel zur Reflexion des Ereignishaften. Insofern kann auch innerhalb dieser Struktur Netzkunst diskutiert werden. Darüberhinaus müssen aber unbedingt neue Formen der Zusammenarbeit entwickelt werden, weil es augenscheinlich wurde, dass das traditionelle System der Repräsentation im Kunstraum nicht mehr alles abdeckt. Institutionen müssen auf Diskursaustauch, Produktion und finanzielle Unterstützung setzen, damit es zu fruchtbaren Auflösungen kommt.