Peter Z. Herzog in der Galerie Susanna Kulli, St. Gallen
1997
Die Ausstellung vom Schweizer Peter Z. Herzog beginnt draussen: Eine Wanderwegtafel und ein Baustellenband geleiten in die Galerie, wo die locker hängenden Bänder hinter den Wänden Liegendes abtrennen. Um an die zwei Wandtextarbeiten, pinboardartig die eine, objekthaft-zettelartig die andere, und an die "Baustelle", mithin an das Spezifische heranzukommen, müssen die Bänder, muss das Klischee von der Kunst als Baustelle und Wanderweg nochmals überschritten werden: Wer sich auf diese Arbeiten einlässt, die mit kleinsten Details und feinsten verbalen Anspielungen operieren, kann nur im Erwandern jeweiliger Schuttfragmente Sinnschichten decodieren. Nur wer allegorische Verknüpfungen im Benjaminschen Sinn machen, das heisst, wer die herumliegenden Stücke nehmen, miteinander verbinden, wer im ausgelegten Materialreichtum weitersuchen, sich darin verlieren kann, wer Bedeutung nicht linear abrollen, sie aber auch nicht verabschieden will, wird hier fündig. Mithin, das Eingangsszenario weist das Gelände als hermetisches, nicht aber unwegsames aus. "Environmentor in exploration" heisst die Hauptarbeit, die aus einer langen, über zwei Böcke und Einkaufswagen gelegten, mit grünem Gartenplastik und einem grünen Netz verhüllten Leiter besteht. Sie ist das Rückgrat der Geschichte, die sich diskontinuierlich darauf und darunter ausbreitet: Ein Aquarium mit Fischen und Spiegeln wie Fühler, in der Mitte ein Käfig mit Moosboden und einer blinkenden Taschenlampe - das Herz. Am andern Ende ein Minifernseher über einen Hundenapf gerichtet: Der anale Output, die Realitätsscheisse, die Jetztzeit. Dazwischen Dutzende von kleinen Dingen: Notizbücher, Plastikkrieger und -Dinos, ein aus Filzstiften und Stricknadeln hergestellter Vulkanausbruch, am Boden Heu, Bierdeckel mit Pferden darauf, verschiedensprachliche Zeitungen - Stall, Camping, Obdachlosenszenario. Unzählig sind die Kleinodien, die Knotenpunkte und Linien, die eine aus lauter Trümmern bestehende Geschichte enthüllen. Aber diese Geschichtsmaschine - denn der Titel "Environmentor" verweist deutlich auf die Maschinenhaftigkeit und damit den Produktionscharakter dieses allegorischen "Bildes" - hat einen Fluchtpunkt: Die Taschenlampe focussiert einen schwarzen Kreis an der Wand. Hier spricht, bei aller Katastrophenhaftigkeit, das Begehren, an die Details zu glauben, Mikropolitik zu betreiben, autonome Zellen zu bilden: "Exploration" statt zynisches Gelächter, Geschichtsbewusstsein statt blinde Jagd aufs Neue, Sinnkonstruktion statt totale Negation.

Flash Art,Jan./Feb. 1998