Denkmodelle mit Witz
Dan Graham und Rachel Khedoori in der Galerie Hauser & Wirth


Mit der Doppelausstellung der US-amerikanischen Künstler Dan Graham und Rachel Khedoori präsentiert sich die Galerie Hauser & Wirth, kurz vor ihrer Fusion mit der Noch-Walcheturm-Galeristin Eva Presenhuber, als eine Kunstinstitution, die sowohl herausragende Grössen als auch junge Talente unter ihre Fittiche nehmen und damit die Vorreiterposition im Schweizer Kunstbetrieb gezielt in Angriff nehmen will.

Der New Yorker Künstler Dan Graham war ein wichtiger Katalysator für Künstlerinnen und Künstler der 80er und frühen 90er Jahre. Dass er aber auch für die Kunst der späten 90er Jahre Relevanz hat, macht die Gegenüberstellung von Dan Graham in den oberen Räumen der Galerie Hauser & Wirth mit der kalifornischen Künstlerin Rachel Khedoori in den unteren klar. Khedooris drei anachronistisch anmutende Filmapparaturen und -installationen, für die die Räume der Galerie umgebaut wurden, knüpfen an Fragestellungen an, die Grahams multimediale Arbeit seit je wesentlich bestimmen: Wie strukturiert Technologie (Kino, Architektur, Produktion) unsere Wahrnehmung der Welt? Und welche sozialen, politischen und ökonomischen Implikationen birgt sie? Anders gesagt: Sowohl Graham als auch Khedoori stellen Wahrnehmung weniger als jenen modernen Glauben an ein reines Sehen zur Diskussion, als vielmehr als körperlichen Akt, dem machtvolle gesellschaftliche Ideologien zugrundeliegen.
Grahams architektonische Skulptur "Two Joined Cubes" füllt praktisch den vorderen Galerieraum aus und wirkt - bei aller Offenheit - wie ein hermetischer, abweisender Block: Im semitransparenten Rauchglas spiegelt sich die Einrichtung der Galerie. Schattenhaft nimmt die Betrachterin die Körper der Besucher im Innern der zwei ineinander verschobenen, offenen Kubi wahr, gleichzeitig betrachtet sie sich beim Betrachten und Umgehen der Skulptur. Im Innern präsentieren sich die Verhältnisse transparenter. Das Herausschauen funktioniert nahtloser als das Hineinschauen, ist aber nicht weniger verwirrend: Die Spiegel verlängern die Kanten der Kubi zu virtuellen Geraden mit unbekanntem Fluchtpunkt, Sonnenlicht bricht sich und facettiert die Räume unendlich. Jeder Punkt, den das Auge trifft, eröffnet kaleidoskopartig schwindelerregende neue Möglichkeiten.
Aber die Innenraumskulpturen sind immer auch eine Konzession an die wirtschaftlichen Funktionen der Galerie. Grahams Intentionen weit besser entspricht die Skulptur "Two Joined Cubes" auf der Dachterrasse, tritt sie hier doch, über ihr raumbezogenes Vexierspiel hinaus, in einen realen und symbolischen Dialog mit der umliegenden Industriearchitektur des Kreis’5. Diese blitzenden und strahlenden Kubi, ein Hybrid zwischen puritanischer Kathedrale des Kapitals und romantischem Lusthaus, materialisieren parodistisch des Bürgers Wunsch nach Sauberkeit und Ordnung an einem sozialpolitisch arg gebeutelten Ort.
Wenn Dan Graham an etwas ungebrochen glaubt, dann an die anarchische Wirkung von Humor und Ironie: Dahinter verbirgt sich ein kritischer Zeitgenosse. So spielt der Titel der Ausstellung "New Works/New Age" nicht nur auf den Zwang des Kunstsystems an, stets Neues anpreisen zu müssen, sondern auch auf den aktuellen Hang zur Esoterik in der Kunstszene. Die beiden kleinen Sockelmodelle - eines mit dem Namen "Ying/Yang Outdoor Fountain Proposal. One with Water the Other with Sand", das andere mit "Gateway to Small City or Airport Hotel" - im hinteren Galerieraum führen die Themenfelder vom marktwertsteigernden Chinatrip der Kunstszene zu einem visuellen und ästhetischen Höhepunkt.

Yvonne Volkart

Dan Graham "New Work/New Age" und Rachel Khedoori, Galerie Hauser & Wirth, Limmatstrasse 270. Bis 24. Januar.