Damien Hirst in der Galerie Bruno Bischofberger, Zürich

Warum muss man Damien Hirsts fleissiger Produktionen, obwohl sie langweilig und unlustig sind, Interesse abgewinnen? Weil sie nicht zu trennen sind von seinem Ruf als "Enfant terrible", der die Bourgeoisie massiv zu beeindrucken vermag: Hirst, der Subproletarier, erneuert scheinbar die Kunstwelt "von unten" und bürgt für Authentizität und soziale Offenheit. Die für die Galerie Bruno Bischofberger neu geschaffenen Skulpturen (drei Glaskubi mit diversen ready-made-Szenarien sowie eine Metzgerauslage in Formaldehyd), Bilder (eines besteht aus toten Fliegen) und Leuchtkasten-Fotografien (Würste) operieren gerissen mit diesen Erwartungen: Sie sind mehr denn je monumental, formal perfekt, emotiv und vordergründig böse. Betrachten wir den verschraubten, dreiteiligen Glaskubus mit dem Titel "And now my pretty One, I feel I need your undivided Attention": Im ersten Drittel ein Stuhl, Gummihandschuhe, Speculum und Arztkittel, im anschliessenden ein Computer und im dritten ein Gynäkologiestuhl mit einer Nähmaschine auf dem Sitz. Offen bleibt, wer den Titelsatz ausspricht, doch bezieht ihn die Seximuserfahrene Betrachterin auf den Arzt und interpretiert dieses machtvolle Glascheiben-Szenario als eine Allegorie auf die Frau als Objekt patriarchaler Introspexion. Die Nähmaschine, dieses Substitut der Frau, ist eine Anspielung auf (oder Einschreibung Hirsts in) das Schock- und Ästhetik-Credo der (ebenfalls sexistischen) Surrealisten mit Lautréamonts berühmtem Satz: ... schön wie die zufällige Begegnung einer Nähmaschine und eines Regenschirms auf einem Seziertisch (der Regenschirm ist ready-made-Teil einer weiteren Vitrinenskulptur). Es geht um Wahrnehmung (vgl. die Schlitze in den weiteren Skulpturen), um Minimalästhetik, um Realismus. Aber trotz dieser Kontexte, kunstimmanenten Verweise und formalistisch-technologischen Perfektionismen bleibt die Sache eine plumpe Angelegenheit. Sie erklärt nicht nur Gewalt gegen Frauen zur Kunst und zieht damit machtvolle Hierarchien ins Lächerliche, sondern sie wiederholt sie auch. Die Pointen von Damien Hirsts patriarchalem, "englischen Witz" fussen auf völlig eindeutigen Referenzsystemen: Ob beim rebusartigen Rotobild oder der erwähnten Skulptur: Alles ist entschlüsselbar, und wohlbehalten kristallisiert sich die ganze alte Welt aus den Facetten seiner scheinbar bedrohlichen Konstrukte. Hirsts Arbeiten stehen für Stabilität, Geschlossenheit und High-Tech, und sie sind genau das, was die Funktion der meisten ist: konservativ.