Reise ins Reich der Sinnlosigkeit 1)

Eric Schumacher schafft Landschaften, Sphären, Psychoarchitexturen, die jeglicher Innerlichkeit, jeglicher Psychologie entbehren. Alles ist ein Aussen, sogar dann, wenn man in etwas wie eine Höhlung, einen Tunnel oder eine Blase tritt. Denn da ist nichts, vor allem nicht ein Mehr dessen, was nicht schon im Aussen sichtbar ist. Im radikalsten Sinne geht es immer nur um das, was als Oberflächenszenario gegeben ist, keine Wahrheit dahinter, kein Ursprung, keine Inhalte. Es sind Raumkörper, Zeichenhüllen, die nur Haut sind, Plastikhaut, organlos sozusagen, permanente Wände, Grenzen, die ich hirnlos durchschreite, überschreite, passiere. Sigmund Freud und Jacques Lacan haben gezeigt, dass das Unbewusste kein Innen ist, keine Tiefe hat - obwohl der Diskurs der Psychoanalyse dies zu suggerieren scheint. Sie zeigten, dass das vermeintliche Darunter eine psychische Apparatur ist, die sich im Aussen manifestiert, die Oberfläche strukturiert, in ihr entblösst ist, wenn auch immer nur verstellt und entstellt. Eric Schumacher realisiert solche Grammatiken des Unbewussten, er kreiert Topologien der Sinnlosigkeit, spannt Screens, die Schatten werfen und die Ich's verzerren: Es gibt nur Spuren, Reste, Auflösungen, in denen man sich bewegen, in und mit denen man sich vernetzen kann, in die man sich einschreibt. Ich-Identität als Austausch, als ein Sich-Beziehen, als Relationalität mit dem Umfeld. Ich bin (so), weil ich mich hier befinde, diese Musik höre, diese Bilder sehe.
Jede Arbeit, jede Installation, jede Zeichnung tut eine neue Perspektive von Welt auf. Ging es in der Shedhalle um die Auflösung und Verkörperlichung von Innen und Aussen, von virtuellen Bildern und realen Körpern, so erlebte man im neuen Kunstmuseum Luzern eine Art Nicht-Raum, eine weisse Raumstation, die sich gewissermassen in sich selbst zurückzog und einen zuerst einaml beinahe bühnenartig in der Leere stehen liess: Totale Nichtidentität einer vertieften Oberfläche mit Nischen und Abgründen.
Weil Eric Schumachers artifizielle Szenarien Landschaften eines entäusserten, entleerten Unbewussten sind, weil sie Strukturen und Rhythmen und keine (skulpturalen) Entitäten sind, sind sie so geeignet, so lustvoll für mediale Repräsentationen. Sowohl in der Shedhalle als auch im neuen Kunstmuseum Luzern dienten sie der Projektion von Videos und Computerbildern. Zusammen sind sie Intensität und Energie, Modelle, in denen Ströme fliessen, aber keine Fixierungen stattfinden.

Was zählt ist der Wunsch: sich den Environments ausliefern zu wollen, die Fragmente als Zeichen zu sehen, in die Bilder hineingehen, durch das Licht und die Farben und Klänge hindurchgehen zu wollen. Der Zugang, der Eingang ist gefühlsmässig. Ich habe das auch schon ekstatisch genannt in dem Sinne, als man ausser sich ist, ausser sich gerät, fern von dem, was man zu wissen vermeint.

Diese Grenzüberquerung in das Reich der Sinnlosigkeit vollziehen auch die Zeichnungen, die, einer ausser sich geratenen Schrift ähnlich, jenseits jeglicher Signifikation stehen. Man kann über sie fast nur in Analogien, in Bildern sprechen: Wie ein wildwachsendes dichtes Moos legen sich diese feinen Kritzelein über die weissen Blätter, überziehen die Wüste, die Leere mit etwas, das man (noch) nicht kennt, nicht entziffern kann. Es hat gewuchert, sich manifestiert, etwas hat sich bewegt, war da. Auch da: keine Tiefe, keine Elfen im Zauberwald, keine Verfestigungen. Nur ein Fliessen, ein Innehalten und Absetzen, ein Diffundieren von Strömen und Intensitäten, rhizomatische Verflechtung auf der Oberfläche. Alles ist Prozess und Produktion. Gilles Deleuze und Félix Guattari sprechen mit Bezug auf das schizophrene Subjekt von der "Wunschproduktion": Der Wunsch ist die primäre Energie, die, wie sie sagen, die verschiedenen Maschinen (respektive Partialobjekte wie Mund, Anus etc.), verkoppeln. Das (schizophrene) Subjekt bildet sich "am Rande lagernd, ohne feste Identität, immerzu dezentriert, wird es erschlossen aus Zuständen, die es durchläuft." 2).
Das ist das Wunschszenario, das Eric Schumacher zur Verfügung stellt. Architekturen, die sich zu Texten, zu Architexturen - zu Subjekten - fügen



1) Der Titel ist inspiriert durch Kathy Ackers Roman "Empire of the Senseless", Grove Press, New York 1988
2) Deleuze, Gilles/Guattari, Félix: Anti-Ödipus, Kapitalismus und Schizophrenie I, Frankfurt am Main 1977, S. 28