Body as Byte
23. März bis 3. Juni 2001
Kuratorin Yvonne Volkart

Die Ausstellung ist auf vier Ebenen angesiedelt: Einerseits werden Projekte gezeigt, die mit hybriden Technologien operieren, Besucherinnen und Besucher involvieren und spezifische Erfahrungsmöglichkeiten bereitstellen. Andererseits sind Arbeiten zu sehen, die den Einfluss neuer Technologien auf den Körper ästhetisch thematisieren und untersuchen. Eine Medialounge mit Internetzugang, CD-ROM- und Videoarchiv bietet einen erweiterten Informationshintergrund. Vorträge, Performances und spezielle Screenings während der Ausstellung vervollständigen die Show zu einer multiplen, breitgefächerten Auseinandersetzung mit dem Körper im Zeitalter seiner Cyborgisierung.

Basicray (New York), Ursula Biemann (Zürich), Shu Lea Cheang (Tokyo/London/Paris), Vuc C´osic´ (Ljubljana), Ricardo Dominguez (New York), Fennesz/Zeitblom/Rantasa (Berlin/Wien), Kathy High (New York), Margarete Jahrmann/Max Moswitzer (Wien/Zürich), Darij Kreuh (Ljubljana), Tina LaPorta (New York), Lee Bul (Seoul), Kristin Lucas (New York), Diane Ludin/Francesca da Rimini/Agnese Trocchi (New York/Adelaide/Rom), Björn Melhus (Berlin/New York), Diane Nerwen (New York/Berlin), Yves Netzhammer (Zürich/New York), Panoptic (New York), Patricia Piccinini (Australien), Keith Piper (UK/USA), Jane Prophet (London), Melinda Rackham (Sidney), Jennifer Reeder (Chicago), Eric Schumacher (Zürich), Lloyd Sharp (Australien), Stelarc (Australien), Momoyo Torimitsu (New York), Inez van Lamsweerde (Amsterdam), Eva Wohlgemuth (Wien)


Was heute wirklich zählt, ist Information. Pausenlos sammeln Kredit- und Cumuluskarten, Cookies, Videokameras und Genpassports Daten über Menschen. Es gibt kein Entrinnen aus der permanenten Aufzeichnung und deren (kapitalträchtiger) Bewertung. Daten bestimmen, ob jemand ein Mensch werden darf oder nicht, einreisen darf oder ausgeschlossen bleibt...
Die postmoderne Annahme, dass Körper, Geschlecht und Identität nicht natürlich gegeben, sondern technologisch (oder diskursiv) konstruiert sind, ist in den letzten Jahren zu einem Gemeinplatz geworden. Schönheitschirurgie, Biotechnologie, Xenotransplantation, Designerdrogen, Lifestyle und Computerisierung des Alltags bewirken, dass die Menschen sich nicht mehr als Ich-bin-halt-so-wie-ich-bin empfinden, sondern dass sie intensiv an der Mach- und Veränderbarkeit ihres Körpers und an der Vielfalt möglicher Ichs arbeiten.
Paradoxerweise sehen wir uns in dieser scheinbar postbiologischen Ära auf der anderen Seite mit einer Tendenz zur Re-Biologisierung konfrontiert, die alles, was sozial, psychisch und genderspezifisch konditioniert ist – wie etwa Anorexie, Bulimie oder Vergewaltigung – zu einem Problem der Gene erklärt, gegen das es im besten Fall ein Arzneimittel gibt. Während uns Erfolgsberichte über Bodystyle-Medikamente wie Viagra oder Xenical
sowie über die Fortschritte von Reproduktionstechnologien überschwemmen, ist die Medizin gegenüber vielen Krankheiten immer noch ratlos. Und obwohl die moderne Kriegsführung auf simulationistische Spektakel setzt, hinterlässt sie in erster Linie tote, defekte und verseuchte Körper und Ökosysteme.
Neue Technologien ersetzen den Körper nicht und machen ihn nicht zur obsoleten wetware, wie das von Technodeterministen euphorisch vertreten wird. Aber sie beeinflussen unseren Körper und dessen Wahrnehmung massiv: Neue Visualisierungstechnologien (be)schreiben den Körper neu, neue Apparaturen wecken nie dagewesene Krankheiten und Lüste. Angst lösen nicht mehr Riesenmaschinen aus, sondern unsichtbare Technopartikel und Computerviren, die alles zu invadieren und umzucodieren drohen. Kam das, was als authentisch und real zu gelten hatte, bereits durch Radio- und Fernsehen auf den Prüfstand, so bringen Simulationstechniken der Computer- und Internetgeneration das Verhältnis von Realität und Fiktion vollends durcheinander.
Der Körper scheint unendlich verschaltbar zu sein. Die Vorstellung, dass er ein harmonisch funktionierender, natürlicher bio-logischer Organismus ist, der ab und an von Krankheiten attakkiert und aus der Fassung gebracht wird, hat sich zur Annahme gewandelt, er sei ein komplexes Set interagierender Codes, die in ein labiles Gleichgewicht eintreten. Der Körper ist ein System bio-tischer Entitäten und kommunizierender Informationsströme, der Mensch ein Cyborg, ein kybernetischer Organismus, bei dem sich die Grenzen zwischem dem, was natürlich und was künstlich ist, verwischen. In ihrem Cyborg-Manifesto von 1985 schrieb die US-Biologiehistorikerin Donna Haraway: «Die Maschine ist kein Es, das belebt, beseelt oder beherrscht werden müsste. Die Maschine sind wir, unsere Prozesse, ein Aspekt unserer Verkörperung. Wir können für diese Maschinen verantwortlich sein; sie beherrschen oder bedrohen uns nicht.» Haraway plädiert dafür, die Grenzverschiebungen, die dieses Cyborgsein bewirkt, zu geniessen und nicht zu fürchten. Sie ist nicht im Dualismus von Technologie-Dämonisierung und Fortschrittsoptimismus befangen, sondern pflegt einen offenen und kritischen Umgang mit Technologien. Diese sind kein notwendiges Übel, mit dem man sich irgendwie arrangieren muss, sondern sie sind ein integraler Bestandteil des Menschseins und der menschlichen Kultur, an der alle partizipieren und auf die alle Einfluss nehmen können.
Den in Body as Byte versammelten Projekten liegt ein solch avancierter Technokörperbegriff zugrunde. Sie sind einerseits getragen von der Faszination an neuen Technologien und deren Einfluss sowohl auf den Körper als insbesondere auch auf die dominanten Bilder vom Körper. Andererseits reflektieren sie die Problematik, die der Reduktion des Körpers auf pure Information eingeschrieben ist. Deshalb plädieren sie für die Notwendigkeit einer konstruktiven Kritik an und Neuerfindung von eindimen-sionalen (ökonomistischen und deterministischen) Vorstellungen und beharren auf der Bedeutung der menschlicher Verkörperung im Real Life. Spielerisch, spekulativ und provokativ nehmen sie den posthumanen Cyborgkörper von morgen bereits im Heute vorweg, um ihn anders zu denken. Body as Byte widersetzt sich jedoch explizit der kursierenden Annahme und Erwartung, dass neue Medien und Technologien zwangsläufig neue Ästhetiken hervorbringen. Denn wie der Neue Medientheoretiker Lev Manovich sagt, «wie soll sich die Kultur ändern, wenn sich die Ökonomie nicht ändert? Net.Kapitalimus ist immer noch Kapitalismus.»
Die übergreifenden Fragestellungen lauten folgendermassen: Welchen Einfluss haben neue Technologien (digitale, Virtual-Reality, Internet, Biotec etc.) auf den Körper und dessen Wahrnehmung? Was für Körperbilder und Fantasien existieren heute? Was für Identitätsvorstellungen, Subjektivitätsentwürfe und Handlungsmöglichkeiten lösen sie aus? Welche Rolle spielen ideologische Konzepte wie Geschlecht, Rasse, Klasse, Alter? Wie kann man die posthumanen Körperkonzepte über ökonomische, medizinische, biologische Interessen hinaus für einen ästhetisch-künstlerischen Ansatz nutzen und weiterentwickeln, der sich als Teil der gegenwärtigen Technokultur versteht und aus dieser Verwickelung heraus ein kritisch-lustvolles Bewusstsein fördern will? Was für Optionen gibt es, wenn der Körper nur noch Informationsstrom ist? Body as Byte versucht, den Begriff der Information auf den Bereich des Körperwissens auszudehnen, mithin Information auch als körperliche zu denken und damit den Entkörperungsfantasien der Cyberwelt progressiv zu begegnen.

Die Ausstellung ist so aufgebaut, dass Besucherinnen und Besucher sukzessive in die Bild- und Tonproduktionen hineingezogen werden. Am Ende der Einzelinstallationen steht der uterusartige Bioadapter, der den Besucher oder die Besucherin aufnimmt und mit sich selbst verschaltet. In dieser dynamischen Raumabfolge gibt es zwei Knotenpunkte. Der eine ist der zentrale Mittelraum mit Fotografien und einer Skulptur. Dieser Raum lädt ein zum Innehalten und zur Reflexion. Die dahinter liegende Medialounge markiert mit ihrem eintauchend-artifiziellen Design und den zur freien Verfügung stehenden Computern und Videoplayern eine Potenzierung sowie Anfang und Ende des bisherigen Parcours.
1. Raum: Jennifer Reeder, White Trash Girl. Videoprojektion. Die ersten beiden Teile dieser Videotrilogie führen ins Thema ein. Reeder selbst spielt White Trash Girl, eine blonde Superheldin und Cyborg-Figur der ganz anderen Art: Gezeugt durch inzestuöse Vergewaltigung, die Toilette hinuntergespült und aufgewachsen in einer chemischen Kloake, kämpft sie als weiblicher Outcast um ihr Überleben. Szenen ihres gewalttätigen Alltags wechseln mit wissenschaftlichen Bildern ihrer Entstehung.
2. Raum: Kristin Lucas, Involuntary Reception. Synchrone DVD-Doppelprojektion. Wir sehen uns zwei symmetrisch in- szenierten Charakteren gegenüber, die von der Künstlerin selbst gespielt werden. Sie erzählt aus ihrem Leben, das ständigen Störungen ausgesetzt und bedrohlich ist, weil sie ein elektromagnetisches Feld ausstrahlt. Dauernd beobachten die das CIA, FBI, FCC und IRS, können aber nichts aufzeichnen, da ihre Strahlungen alles auslöschen. Lucas’ fiktionale Cyborg-Frau ist, wie White Trash Girl auch, ein Produkt unseres Informationszeitalters, wenn auch in pervertierter und subversiver Form. http://www.involuntary.org
3. Raum: Basicray, Immaterial TV. Interaktive Computer- und DVD-Installation. Immaterial TV thematisiert, dass die Entertainment-Industrie der Zukunft bioelektronisch in unsere Körper eindringt, unsere Konsumwünsche biotisch erzeugt und die Persönlichkeit verändert. Die Installation besteht aus einer DVD-Projektion, die eine Art Werbeclip und Bedienungsanleitung ausstrahlt, in dem die virtuelle Figur Hikaru sowie verschiedene Roboter und intelligent agents auftreten. Die zweite Komponente ist ein Feld der Interaktion. Das Publikum kann scheinbar frei Avatare und Roboter wählen, die mit einem kommunzieren und die Daten sammeln, die man abgibt. Dieses harmonisch fliessende und verführerische interaktive Spiel ist tatsächlich eine drogenartige Anleitung zur Selbstaufgabe. http://hikaru.thing.net; http://basicray.org
Mittelraum: Dieser Raum versammelt verschiedene Typen von Cyborgs und Monstern. Allerdings geht es nicht darum, ein Kuriositätenkabinett abstossender Mutanten zu schaffen. Vielmehr dominiert auch hier die Idee, dass die Grenzen zwischen dem, was normal und monströs, menschlich und posthuman ist, längst unbestimmbar geworden sind. Anhand der schockierend-witzigen Fotografien von Inez van Lamsweerde, Patricia Piccinini und Momoyo Torimitsu wird deutlich, dass die gängigen Frauenideale sowieso jenseits des Menschlichen liegen. Lee Bul’s hängende Skulptur Amaryllis liefert als auswuchernde Silikonblume eine Zusammenfassung vergangener, gegenwärtiger und zukünftiger Grenzverschiebungen, in denen sich die Unterschiede von Frau, Mensch, Klon, Pflanze, Tier und Maschine verlieren. http://www.patriciapiccinini.net http:/www.leebul.com
Brücke: Eva Wohlgemuth, Bodyscan. Video-Installation mit Figuren und Transparentfolie. Diese Installation zeigt den Körper der Künstlerin als Datenset. 1997 liess sie die Oberfläche ihres Körpers mit einem Scanner abtasten und in ein Wireframe (Gitternetz) mit Polygonen übersetzen. Eine Video-Arbeit geht dem bildlichen Potential dieses Datenset nach. An gewissen Punkten spricht Wohlgemuths Stimme und informiert über ihr Leben. Auf Sockeln stehen verschiedene Acrylglasfiguren, die auf der Basis jener Daten hergestellt wurden. Bodyscan zeigt den Körper als pure Datenoberfläche, als offenes Gitter oder geschlossenen, homogenen Kunststoffkörper. Innen und aussen sind keine tragfähigen Kategorien mehr. http://www.thing.at/bodyscan
5. Raum: Darij Kreuh, Virtual Dreams. Interaktive Virtual-Reality Installation. In der Installation von Darij Kreuh bedient man sich eines von ihm konstruierten Gefährts, um in die Virtual Dreams abzudriften. Der Besucher oder die Besucherin steht mit einem Datenhelm in seiner Konstruktion. Im Innern des Helmes sieht man zuerst den Museumsraum, dann gibt es nur noch Bilder rennender Athleten und hängender weiblicher Torsi. Das Publikum kann diese Bilder mittels Bewegungen des Geräts in 3D Bilder verwandeln, um durch die virtuelle Welt zu navigieren. Den fluiden Bewegungen im Raum der Virtual Reality entsprechen scheinbar sinnlose Körperbewegungen im Realraum. http://www.kibla.org/darij/projects
6. Raum: Fennesz/Zeitblom/Rantasa, Music for an Isolation Tank. Or an accoustic approximation towards the first steps of Oswald Wiener’s legendary Bioadapter, phase 1. Der Mensch wird in einer Art Feedback-Loop mit sich selbst zu einer symbiotischen Maschinenentität verschaltet. So gelingt - das ist die Vision von Oswald Wiener - die «vollkommene Lösung aller Weltprobleme» und die «Befreiung von Philosophie durch Technik». Dieser Zugang zu technodeterministischen Ideologien ist durchaus ironisch, wobei Ironie hier heisst, sich den Fantasien zu stellen und sie in ein seriöses ästhetisches Experiment zu verwandeln. Dem Besucher oder der Besucherin werden Körpertöne abgenommen und über einen Computer in Musik verwandelt. Dann legt sich die Person in einen mit körperwarmem Salzwasser gefüllten Isolationstank und lässt sich von der eigenen Körpermusik einhüllen. Nach ca. 40 Minuten endet das Programm und der Hörer oder die Hörerin erhält eine frisch gebrannte CD mit der Musik, die er oder sie gerade gehört hat.

Im Gegensatz zu den eher musealen Installationen werden die Arbeiten in der Medialounge medial inszeniert. Die Lounge funktioniert als Mediathek, in der an verschiedenen Stationen Video-, Netz- und CD-ROM-Arbeiten ausgewählt und angeschaut werden können. Von Eric Schumacher stammt das schwebende Design der Medialounge, das die Bedeutung des Körperlichen bei der Kommunikation mit materiellen und immateriellen Datenströmen thematisiert. Die Besucher und Besucherinnen bewegen sich in einer science-fictionartigen Raumschiffarchitektur, in die verschiedene Dockstationen eingelassen sind. Der Kunststoff und das Weiss dieser Landschaft suggerieren einerseits Entkörperung, andererseits versetzen die hinunterhängenden Därme und die Interaktion mit den Geräten das Publikum in einen Zustand ekstatischer, hybrider Körperlichkeit.
Vuc C´osic´, Deep ASCII ist die vollständige Konversion des klassischen Pornofilms «Deep Throat» in die Codiersprache ASCII (American Standard Code for Information Interchange). C´osic´ arbeitet bereits seit längerem an der Übersetzung von Filmen, Musikvideos, Gebäuden, Portraits etc. in den ASCII Code, der früher z.B. zum Drucken digitaler Bilder diente. Diese Nivellierung verschiedener Bildgattungen auf einen Informationscode thematisiert nicht nur das Reduktionistische, das der Digitalisierung innewohnt, sondern auch den permanenten Wettbewerb der Medien, die trotz ihrer Immaterialität Alterungsprozesse durchmachen. Die Arbeit wird auf der Festplatte am Computer sowie als Video gezeigt. http://www.ljudmila.org/~vuk/ascii/film
Ricardo Dominguez ist Mitbegründer des Electronic Disturbance Theater – einer netzbasierten AktivistInnen- und KünstlerInnengruppe, die spielerische und spektakuläre Formen virtuellen Widerstands erprobt. Ihr Ziel ist es, sich mit elektronischen Medien für die sich verändernden Rechte von Menschen in einer vernetzten Welt einzusetzen. Electronic Disturbance Theater geht davon aus, dass mit den neuen Technologien entgegen den allgemeinen Versprechungen die Lebensbedingungen nicht besser werden, dass man aber die Sache selbst in die Hand nehmen kann. Dominguez stellt anhand der EDT-Website ein neues Projekt des Electronic Disturbance Theater vor. Im Speziellen widmet er sich Fragen des Transfers vom realen Körper zum Körper aus Bits und Bytes. http://www.thing.net/~rdom http://www. thing.net/~rdom/ecd/ecd.html
Margarete Jahrmann und Max Moswitzer’s, Projekt nTracker ist ein kollaboratives Projekt, das auf dem Konsum Slacker Server liegt und Teil ihres spartenübergreifenden Konsum.net-Projekts ist. Ihre Webseiten sind als Tools gedacht, mit denen sie in den sozialen Raum intervenieren. nTracker z.B. macht sich die Prinzipien der Game-Cracker-Szene zu eigen und strukturiert eine Software, die in Form von Zeitraster-Modulen einen Track kombiniert, der akustisch gespielt werden kann. Die beiden Künstler gehen von der Tatsache aus, dass jeder User, jede Userin Daten im Netz hinterlässt und dass diese Daten Zeitraster hinterlassen. Diese menschlichen «Spuren» im Netz, diese «n-Dimension von Information», wie die beiden sagen, werden als psychoakustisches Geräusch erfahrbar und als Ascii-Code sichtbar. http://www.konsum.net/ntracker/coop/aatrack5.html
Tina LaPortas Netzarbeit Future_body untersucht die Beziehung zwischen Körper, Technologie und weiblicher Subjektivität in einer vernetzten Umgebung. Als Einstieg dient das Wireframe-Modell einer weiblichen Figur, die mit einer Serie von Links (Torso, Hintern, Ohr etc.) besucht werden kann. Diese Figur im Cyberspace ist für jederman zugänglich, sie ist überall und nirgends zugleich, ihr Wesen bleibt verborgen, unfassbar, ihr Datenkörper ist jedoch unendlich replizierbar. http://users.rcn.com/laporta.interport/futurebody.html
Diane Ludin/Francesca da Rimini/Agnese Trocchi, Identity Runners. «Re-flesh the body» ist ein kollaboratives Netzprojekt, welches die Mythen posthumaner Datenkörper de- und rekonstruiert. Die drei in verschiedenen Erdteilen lebenden Künstlerinnen treffen sich sowohl online mittels der Avatare Efemera, Discordia und Liquid Nation als auch im wirklichen Leben. Sie kommunizieren mittels e-mails, IRC-Chats, Bilderaustausch, Telefonkonferenzen etc. und konstruieren daraus ein Gebilde fliessender Identitäten im Zwischenraum von Real Life und Cyberspace. Ihre Bild- und Wortsprache, ein Gemisch aus Poesie, analytischer Wissenschaftskritik und Technologiefaszination zeigt, dass Informationstechnologien nicht zu den versprochenen revolutionären Umwälzungen geführt haben, hingegen die Diffusion des androzentrischen Subjekts weiterführen. http://www 2.sva.edu/~dianel/idrunr
Melinda Rackham untersucht in Carrier virale Symbiosen in biologischen und virtuellen Domänen, speziell das Hepatitis C Virus. Bezugnehmend auf aktuelle molekularbiologische Forschungen und mit persönlichen Erfahrungen vermischt, zeigt und benutzt sie das Virus als intelligent agent, der uns durch die Website führt. Entgegen herkömmlichen Darstellungen des infizierten Körpers als Schlachtfeld und des Virus als feindlichem Angreifer wird mit Carrier evident, dass der (eigene) Körper immer schon offen und voller Fremdkörper, mithin keine feste Entität, sondern mutierender Datenstrom ist. http://www.subtle.net/carrier



Stelarc’s
Performance Exoskeleton. Event for Extended Body and Walking Machine wurde im November 1999 in den Kulturhallen der Dampfzentrale Bern aufgeführt. Auf dieser CD-ROM ist die Dokumentation, die wir auch auf Video zeigen. Exoskeleton ist eine sechsbeinige, pneumatisch betriebene Laufmaschine, die wie eine Kreuzung zwischen einem Insekt und einem Roboter aussieht. Der Künstler ist Teil dieser Installation, die vorwärts und seitwärts laufen, sich drehen und hocken kann. Die Gesten der Arme, an denen Sensoren und Mikroschalter angeschlossen sind, steuern die Bewegungen der künstlichen Beine. Stelarc lässt mit dieser Erfindung Körper- und Maschinenbewegungen untrennbar ineinandergreifen. Diese cyborghafte Monstermaschine führt den Traum nach steuerbaren Robotern und grenzenloser Erweiterung des Körpers radikal ad absurdum. http://www. kultur prozent.ch/cyborgfrictions/Events/Stelarc/body_stelarc.html
Die CD-ROM Cyborgworld ist die virtuelle Show des Projekts «Cyborgfrictions», veranstaltet von Migros Kulturprozent in den Kulturhallen der Dampfzentrale Bern 1999 und gibt Einblick in verschiedene aktuelle Cyborgvisionen.
Keith Piper, Transformer (Tracing the Automatons Blood-line). Diese CD-ROM ist Teil einer seit längerem geführten Untersuchung Piper’s über den Status, die Parallelen und Unterschiede von Robotern, Androiden, Cyborgs und Sklaven. Der Roboter als das sichtbare Andere, das unaufhörlich arbeitet und endlos ausgebeutet wird, hat strukturelle Ähnlichkeiten mit den afrikanischen Sklaven. Dass die NASA 1997 einen Roboter auf den Mars sandte und nach der Sklavenbefreierin Soujourner Truth benannte, ist für Piper aufschlussreiches Indiz.
Jane Prophet widmet sich in ihrer Science-fiction Foto-story The Internal Organs of a Cyborg dem uneindeutigen Status des Cyborg, der unsere fixen Vorstellungen von dem, was natürlich und künstlich ist, zum Verschwimmen bringt. Digitale Bilder und Sound repräsentieren den Cyborgkörper und untersuchen die Art und Weise, wie die Wahrnehmung unseres Selbst im Fluss ist. www.cairn.demon.co.uk (home pages for background info) www.technosphere.org.uk www.ucl.ac.uk/slade/swarm. (Die CD-ROM kann bestellt werden bei: www.ellipsis.com).
Lloyd Sharp, Invert handelt von den Beziehungen zwischen organischem Leben und technologischen Informationssy-stemen, die auf die Metapher der Fluidität menschlicher Körper und mikroskopischen Lebens rekurrieren. Die CD-ROM bietet 3D Computerbilder, Animationen, Geräusche etc., die organisches und künstliches Leben thematisieren. «Es gibt mehr Mikroben, die den menschlichen Körper bevölkern, als es menschliche Zellen gibt», sagt Sharp. Auch ihn beschäftigt, dass mit den neue-sten Trends in der Wissenschaft die Grenze zwischen Mensch und Nicht-Mensch immer mehr verwischt wird. http://www.chicken fish.cc/fw/f (Fun with Fluids)
Diane Nerwen, Under the Skin Game. In diesem experimentellen Dokuessay untersucht Nerwen, wie Norplant, ein Implantat zur Schwangerschaftsverhütung, in den USA als Mittel zur staatlichen Reproduktions- und Sozialkontrolle dient. Norplant wird als potentielles Gesetzesmittel entlarvt, das gegen Arme und Diskriminierte eingesetzt wird. Michel Foucaults Biopolitik hat trotz neuer Technologien nichts von ihrer Brisanz eingebüsst.
Ursula Biemann, Performing the Border. Dieser Videoessay geht am Beispiel der mexikanischen Grenzstadt Ciudad Juarez der Frage nach, welche Körper, Identitäten und Geschlechter die globale High-Tech-Industrie an ihrem untersten Ende hervorbringt. Biemann betrachtet diese Grenzregion, in der sich multinationale Konzerne der Elektronikindustrie niederlassen und arme Frauen aus dem Süden anziehen, die endlos ausgebeutet werden, als eine global konstruierte Situation und deutet sie als typisches Produkt unserer postmodernen Informationsgesellschaft. http://www.been there.bbooksz.de
Shu Lea Cheang, I.K.U. ist ein Underground Science-fiction Porno, gedreht als Digitalvideo. IKU heisst auf Japanisch «Ich komme» und handelt davon, dass eine Firma namens «Genom» mit einem Virus infizierte Agenten und Agentinnen angestellt hat, die sämtliche wichtigen Sexdaten beim Orgasmus sammeln und weitergeben. Zusammen mit der Protagonistin Reiko begibt man sich auf eine Odyssee sexueller Abenteuer: Sex und Pornografie im Cyberzeitalter. Dabei werden nicht nur Genderrelationen, sondern auch aktuelle kapitalistische Formierungen einer radikal-lustbetonten Kritik unterzogen. http://www.I-K-U.com
Kathy High, Underexposed: The Temple of the Fetus. Diese experimentelle Erzählung über die Beziehungen von Frauen zu neuen Reproduktions- und Gentechnologien verbindet dokumentarische Interviews mit Science-fiction Segmenten über In-Vitro-Fertilisation und andere Methoden. Neben dem fiktiven Part erlebt man das politische Erwachen einer TV News-Journalistin, die im Zuge ihrer Recherchen für eine Sendung mit den verheimlichten Gefahren konfrontiert wird.
Kristin Lucas, Host. In diesem Video spielt die Künstlerin ein Mädchen, das an einer Online-Therapiesitzung teilnimmt, die von einem System Operator in einem strassenseitigen Multimedia-Kiosk geleitet wird. Statt dass ihr jemand hilft, gerät sie in eine spektakelhafte Reality-Show, bei der sich die Ebenen von Realität, Virtualität und Fantasie überlagern. Am Schluss hören wir nur noch die nette Computerstimme, die Hilfe suggeriert, ohne sie zu geben: «If you would like to save your life...please enter initials». Zur Verwirrung der Realitätsebenen trägt bei, dass Lucas auch den System Operator spielt und damit am eigenen Körper die Verwischung der Grenzen zeigt.
Björn Melhus, No Sunshine. Ein infantiles Spielzeug-Zwillingspaar schwebt selbstverliebt in einem geschlossenen, synthetischen Kosmos. Ihre im Hintergrund agierenden Überkörper leiten eine Metamorphose ein, die Vereinigung und körperliche Befreiung verspricht. Die plötzliche Verweigerung der einen Hälfte führt zur Trennung und gegenseitigen Auslöschung, einer Art molekularbiologischen Implosion. Auch in Again & Again/The Borderer spielt der Künstler selbst. Hier ist er ein die phylogenetisch-asexuelle Reproduktion imitierender Demiurg, der sich selbst klont. Hunderte seiner Selbste entspringen seinem Kopf, alle sind gleich, und alles ist «wonderful» und «no cosmetics». Es endet in einer unendlichen ornamentalen Replikation, den digitalen Fantasien und Datenströmen ist kein Ende gesetzt. Auch in Again & Again/The Borderer, einer Arbeit, die eigentlich als Installation auf 8 Monitoren gezeigt werden müsste, spielt der Künstler selbst.
Yves Netzhammer, Grosse Spiegel werden verloren. Informationen von Abwesenheit, damit Anwesenheit entstehen kann. Flüchtigkeit, Fluidität und umfassende Mutationsmöglichkeiten sind die fundamentalen Neuerungen, die die digitalen Medien sowohl technisch gebracht haben als auch als das Ideal neuer Weltvorstellungen suggerieren. Yves Netzhammer spielt mit dem Fantasma unendlicher Rekombinierbarkeit: Alles (Tier, Mensch, Geschlecht, Objekt etc.) ist im Fluss. Netzhammer spürt aber auch den Grenzen nach: Nicht alles ist völlig neu im digitalen Fliessen. Beim Betrachten ertappt man sich selbst, wie man permanent Bedeutung gibt, wo eigentlich keine vorhanden wäre. Das digitale Bild wird hier zum Spiegel vieler spezifisch konditionierter Ichs.
Panoptic, Wonder Spider/Csoda Pok. Panoptic ist eine Gruppe von Medienschaffenden, die kommerziell und künstlerisch arbeiten. Ihr Name bezieht sich auf Michel Foucaults Panoptikum, eine (Gefängnis-)Architektur des 19. Jahrhunderts, die völlige Kontrolle ermöglichte. Dass Kontrolle im Informationszeitalter anders, aber nicht weniger verläuft, ist Thema der künstlerischen Arbeiten von Panoptic. Wonder Spider/Csoda Pok erzählt in einer Art Propagandasprache von den bahnbrechenden Kontrollmöglichkeiten, die Lichtimplantate ermöglichen, und exponiert die wissenschaftlichen Fortschritte. http://www.panoptic.org


Body as Byte LIFE
31. März 2001
ab 14.30 Uhr bis 22.00 Uhr anschliessend Bar
Ursula Biemann, Shu Lea Chang
Ricardo Dominguez, Jahrmann/Moswitzer, Diane Ludin
Diane Nerwen, Yvonne Volkart
Anmeldung bis 27. 3. 2001
Fr. 50.- einschliesslich Nachtessen
(Fr. 40.- für Mitglieder und Studenten)

Bioadapter, Fennesz/Zeitblom/
Rantasa 12. bis 20. Mai 2001
stündlich 14.00 Uhr bis 21.00 Uhr
Individuelle Erfahrung im Bioadapter
Anmeldung bis 7. Mai 2001
Fon 041 226 78 00 Frau Felder, Fr. 35.-