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Diese
Konstellation des "Schiffbruchs mit Zuschauer" (Blumenberg),
in der der Zuschauer zugleich den Schiffbruch verursacht,
ist eine beliebte rhetorische Figur der digitalen
Ästhetik (Susanne Berkenheger setzt sie in ihrer
Hyperfiction "Zeit für die Bombe" ein, in der der Klick
des Users den Zeitzünder betätigt, so dass die
Opfer am Ende auf die Rechnung des Lesers gehen). Der Witz
bei Hunziker liegt darin, dass wir nicht nur klicken,
sondern dies aus der Perspektive des Mitfahrers tun. Wenn
wir nach dem Klick den Fahrer einknicken sehen, geht dies
nur um Nanosekunden unserem Einknicken voraus und der
Zerschmetterung des ganzen Fahrzeugs, dem Erschrecken der
Passanten, Sirenen, Schneidbrenner, Leichensack... Und weil
wir diesmal mit im Boot sitzen, gibt es auch kein viertes
Image, denn die zerkeilten Autos können nur jene zu
Gesicht bekommen, die nicht wie wir in einem davon
saßen. Im Grunde wäre - statt des ausbleibenden
vierten Images - der Absturz des Browsers die Konsequenz,
als symbolischer Tod am Bildschirm. Dass dies nicht
passiert, mag an der - dann allerdings hinderlichen -
Konzeption der Sammlung liegen: Noch sind 8 weitere Links zu
klicken.
Auch hinter Link drei zeigt
sich Medienreflexion: Ein schwarzes Rechteck, das sich
inmmer weiter ausdehnt, kommt, mit
angsteinflößenden Kratzgeräuschen, wie wenn
die Röhre gleich durchbrennt, auf uns zu. Es stoppt
schließlich, sobald es den Raum auf dem Bildschirm
ausfüllt, den Hunziker der Shockwave-Applikation
einräumt. Statt unseren ganzen Bildschirm
auszufüllen, baut sich das schwarze Rechteck zu einem
schwarzen Image auf, von dem wir am Ende wissen, dass es
mehr als ein schwarzes Image ist. Es ist das Ergebnis von
Zeit, die sich als Schwarz in den Bildschirm fraß.
Eine Anspielung vielleicht auf die Black Box, die gerade
noch einmal vor uns Halt gemacht hat. Vielleicht auch eine
Anspielung auf Malewich' weiße Box, wobei so wie dort
das Image im weißen Hintergrund verschwindet, hier die
Vergangenheit des Bildes in der Gegenwart seiner Endgestalt
verlorengeht.
Link vier offeriert ein
Fenster im Fenster, wobei der Rahmen so klein gehalten ist,
dass man vertikal und horizontal navigieren muss, um das
dahinterliegende Bild erkennen zu können. Dieses
Verfahren der Zugangserschwerung ist recht beliebt, erreicht
es doch mit simplen Mitteln einen recht eindrucksvollen
performativen Effekt mit intellektueller Tiefe. Frank
Richter hat dieses Mittel einmal in einem Werk über
Ich-Identität eingesetzt, wobei er die Scrollbalken wie
von Geistermaus sich automatisch hin und her bewegen
ließ (Review).
Was sich hinter Hunzikers Ausschnitt versteckt, wird aufgrund
der grobkörnigen Struktur des Images nicht sogleich
klar. Man glaubt, nackte Beine ineinanderverschachtelt
erkennen zu können. Der einzige Weg zur Gewissheit ist
das Runterladen des Images. Wer weiß, wie das geht,
hat mehr von der Ausstellung, denn er ist damit faktisch
drei Schritte vom Bild zurückgetreten und erkennt nun
die beiden Leiber beim Liebesakt.
Dieser Trick der notwendigen
Befreiung des Images aus seiner Zwangsjacke ist witzig und
hintergründig zugleich. Es geht wieder um den Umgang
mit der Technologie und die Notwendigkeit der
Technologiekompetenz für die Wahrnehmung - dessen, was
diese Technologie präsentiert. Wer nicht einmal
weiß, wie man ein Image befreit, der ist - so die
Botschaft dieses Stücks - nicht gewappnet für die
digitalen Medien und wird den Dingen gegenüber so blind
sein wie jemand, den man zwingt, einen Monet aus 20
Zentimeter Entfernung anzuschauen.
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