Interview mit Giaco Schiesser
in: Smile, Mai 1998


Ab dem Wintersemester 1998 wird die Schule für Gestaltung Zürich nicht nur als Hochschule anerkannt und dann Hochschule für Gestaltung und Kunst (HGKZ) heissen, sondern auch den ersten Schweizer Studiengang im Fach Neue Medien anbieten. Giaco Schiesser, Leiter des neuen Studienganges, sieht dadurch für Zürich die Chance, ein europäisches Zentrum für den Homo digitalis zu werden. Erreichen möchte er dieses Ziel durch strategische Partner aus der Wirtschaft, der Wissenschaft und der Kunst.

Smile hat mit Giaco Schiesser gesprochen.

In der letzten Zeit hat die Schule für Gestaltung hauptsächlich wegen des Studienbereiches Neue Medien Aufsehen erregt, zum Beispiel weil sie die konventionelle Grafik einfach abgeschafft haben.

Wenn in der Öffentlichkeit lauthals verkündet worden ist, dass der Studienbereich Grafik abgeschafft wird, dann ist das zumindest erklärungsbedürftig. Ich halte es sogar für falsch. Die Situation ist die: Wir haben in der Schweiz einen Umbau in der Bildungslandschaft, wie ihn die Schweiz in den letzten 150 Jahren nicht erlebt hat. Im Rahmen dieses Umbaus wird eine neue tertiäre Stufe geschaffen: die sogenannten Fachhochschulen, zu denen auch die Hochschule für Gestaltung und Kunst Zürich gehört. Der Studienbereich Grafik ist einer der wenigen Studienbereiche an diesem Hause, der auf dem Niveau der Sekundarstufe II ausgebildet hat. Daher hat die Schulleitung gesagt, dass es mit der Einführung des tertiären Systems nicht getan ist, dass es auf Sekundarstufe-II-Ebene auch einen Zubringer für die Fachhochschulen braucht. Diese sollen nämlich explizit nicht zum Ðberlaufgefäss der Universitäten werden. Die jungen Leute müssen ja irgendwo Berufsabitur machen können. Und in dem Sinne betrifft die Abschaffung der Grafik nur den Ort. Der Studiengang wird aber auf dem bisherigen Niveau der Sekundarstufe II an der DGM (der Abteilung Druck Gestalter und Malerberufe an der Allgemeinen Berufsschule) weitergeführt. Die Ausbildungsplätze gehen also nicht verloren, und auf der Fachhochschulstufe verfügt man ebenfalls über einen einen adäquaten Studiengang, die Visuelle Gestaltung.

Die klassischen gestalterischen Fertigkeiten dürfen also nicht verloren gehen ...

Ja und Nein. Der Studienbereich Neue Medien ist bis auf weiteres der einzige Studienbereich, der den Computer als Werkzeug und als Medium einsetzt. Das heisst, unsere Produkte werden ausschliesslich auf dem Computerbildschirm, als Hologramm im Raum oder als Bild im "Cave" erscheinen. Wir legen sehr viel Wert darauf, eine "Ÿsthetik des Digitalen" zu entwickeln, die noch völlig in den Kinderschuhen steckt. Es braucht Zeit und neue Arbeitsformen, diese aufzubauen.

Wie sieht das Ziel aus?

Theoretisch ist eine Ÿsthetik des Digitalen schnell formuliert - Stichwort: Entwicklung des Eigensinns der neuen Medien. In der praktischen Realisierung stecken wir noch ganz in den Anfängen. Um Webdesign auf dem Niveau zu machen, wie wir es heute vorfinden, braucht man kein Hochschulstudium. Wir wollen Leute ausbilden, die in der Lage sind, sich erst einmal eine ganze Menge Fragen zu stellen und dann erst gestalterische Lösungsstrategien entwickeln. Ganz allgemein kann man sagen: Es geht darum, adäquate Formen für die audio-visuelle Gestaltung von Informationsräumen zu erfinden.