Reinhard Storz und Annette Schindler


Das Projekt DACollection / DAStore

Unter den Namen DACollection und DAStore entsteht in Basel eine Sammlung von digitaler Medienkunst mit integriertem Art Store. Da für die Sammlung noch kein örtliches Lokal zur Verfügung steht, benutzt das DA-Unternehmen seine Website als elektronischen Ausstellungsraum und Katalog.

Die DACollection sammelt internationale, nationale und lokale Werke, die für die Entwicklung der digitalen Medienkunst beispielhaft sind. Sie versteht sich zudem als nationales Archiv für historische Aktivitäten der Schweizer Medienkunst- und Netzkunst-Szene und soll für Studienprojekte verschiedener Art zur Verfügung stehen. Diesem Zweck dienen auch Recherchen und Texte, die begleitend zum Aufbau der Sammlung im Rahmen eines Forschungsprojekts entstanden sind.
Heute existieren weltweit erst wenige Sammlungen für digitale Medienkunst. Deshalb verstehen wir die DACollection als Modell-Sammlung, die in der Praxis verschiedene Möglichkeiten des Besitzens, Archivierens und Konservierens von digitaler Kunst vorführt. In ihrem Grundbestand enthält die DACollection Werke aus dem Privatbesitz der beiden Sammlungsgründer (den AutorInnen dieses Artikels), Leihgaben von Künstlern und Künstlerinnen sowie Werke aus dem Archiv des Schweizer Kultur-Servers Xcult. Mittelfristig soll für die DACollection ein eigener Schauraum zur Verfügung stehen, in dem neben dem eigenen Sammlungsbestand regelmässig auch grössere Leihgaben von KünstlerInnen und Museen gezeigt werden können. Parallel zum Aufbau der Sammlung werden restauratorische Techniken und Strategien entwickelt, um Medienkunstwerke zu erhalten. Dafür suchen wir die Zusammenarbeit mit Fachleuten, sei es in der Schweiz oder in den an Basel angrenzenden Regionen Deutschlands und Frankreichs.
Der DAStore ist neben der Sammlung das zweite Standbein des DA-Projekts. Im Store bieten wir eine wachsende Auswahl an Werken der digitalen Kunst zum Kauf an. Das Angebot umfasst Objekte und installative Werke, internet-basierte Produktionen und computergenerierte Animationen. Im Interesse der Sammler digitaler Kunstwerke werden gemeinsam mit den KünstlerInnen für den DAStore käufliche Werk-Pakete definiert, in denen Fragen des Eigentums, der Reproduzierbarkeit und der restauratorischen Pflege geregelt sind. Die Einnahmen aus dem Werkverkauf im DAStore kommen dem Betrieb der DACollection und dem Ankauf neuer Werke zugute.


Die Website ist Ausstellungsraum  und Katalog der DACollection

Das Unternehmen DACollection / DAStore versteht sich über die Grenzen der Schweiz hinaus als Pionier-Projekt. So hat etwa die Frage, wie sich internetbasierte Kunstwerke sammeln lassen, bisher erst wenige praxisorientierte Antworten gefunden. Solche Werke verstossen gegen das traditionelle Verständnis von Eigentum in der Kunst, grundlegende Kategorien wie die des Werkbegriffs, der Werkrezeption und die der Dauerhaftigkeit von Kunstwerken werden in Frage gestellt. Der DAStore versucht Sammler zu motivieren, in ihre Sammlungen auch Kunstprojekte zu integrieren, die über das WWW jedermann zugänglich sind und in ihrer interaktiven Form vom Betrachter mitbestimmt werden. Da solche Werke zuweilen eine ungewisse Lebensdauer haben, bieten wir konservatorisches und restauratorisches Knowhow und Dienstleistungen an, oder wir unterbreiten Vorschläge, wie diese später in Form einer Dokumentation weiter bestehen können.
Vergleichbare Fragen stellen sich in der Gegenwartskunst auch schon für andere Formate, etwa für fotografische Bildtechniken, für Kunstvideos, für Werke der Land Art und für die Performance. Werke in all diesen Medien gehören ebenso wie digitale Medienkunstwerke zum kulturellen Erbe unserer Gesellschaft. Besonders öffentliche Sammlungen haben die Aufgabe, dieses Erbe zu bewahren, und stehen daher zunehmend unter Druck, sich auch mit deren Konservierung zu befassen. Die Initiative DACollection / DAStore möchte bei dieser Entwicklung Argumentationshilfe und praktische Hilfestellungen leisten.
Ein Motiv für die Gründung des Projekts DAStore / DACollection ist die Beobachtung, dass zwar immer wieder ein Interesse am Ankauf von Medienkunst geäussert wird – etwa von städtischen Ankaufskommissionen, der Schritt aber wegen der vielen Unsicherheiten oft nicht gewagt wird. Auch Museumskuratoren zeigen sich zurückhaltend beim Ausstellen von Medienkunst, weil die technischen Hürden als zu hoch erscheinen. Dabei hat die Digitalisierung die meisten Produktions-, Kultur- und Bildtechniken unserer Gesellschaft innerhalb weniger Jahre grundlegend verändert, in einem Ausmass, das sich nur etwa mit den Folgen der Erfindung der Fotografie vergleichen lässt. Die Nutzung des Internets nimmt weiter zu. Die kulturellen Praktiken einer heranwachsenden Generation wird von den digitalen Medien im gleichen Ausmass geprägt, wie das Fernsehen oder das Kino frühere Generationen prägte. Die Kunst – und oftmals eben die digitale Kunst - erforscht Mittel und Strategien der gesellschaftlichen Bilderproduktionen und reflektiert deren Grenzen.

Um den Bedingungen für eine Einführung von netzbasierter Kunst in den Kunstmarkt auf die Spur zu kommen, lancierten wir gemeinsam mit dem Kunst-Institut der Hochschule für Gestaltung und Kunst Basel das Forschungsprojekt Owning online Art. Study for a Netart-Gallery. In Zusammenarbeit mit verschiedenen Schweizer Hochschulen wurde die Diskussion über die Vermarktung und Sammelbarkeit von Netzkunst im Dialog mit einem interdisziplinär besetzten Team geführt. Ziel der Studien war es, den DAStore in seiner Gründungsphase zu fördern und mit Recherchen zu begleiten.
Im Forschungsprojekt Owning online Art stehen verschiedene Ökonomien zur Debatte - etwa die Ökonomien des Marktes, des Neuen und der Anerkennung, oder Aspekte der Ökonomie freier, immaterieller Güter. Kunstwissenschaftler entwerfen medienhistorische Fragestellungen zum Verhältnis von Internetkunst und Markt und befassen sich mit der kunstwissenschaftlichen Verortung ausgewählter Werke der Netzkunst. Untersucht wird die aktuelle und frühere Entwicklung des kommerziellen Angebots und des Sammelns von Netzkunst  und Lösungsmodelle für die Restaurierung netzbasierter Werke. Eine Tagung mit WissenschaftlerInnen und KünstlerInnen und die Befragungen von Museums- bzw. SammlungskuratorInnen wie von internationalen und Schweizer KünstlerInnen mit Erfahrung im Bereich der netzbasierten Kunst stärken die empirische Basis der Untersuchung.


Der DAStore an der Ausstellung eARTS beyond in Shanghai. Im Bild ein Werk von jodi.

Kürzlich, im September 2009, hatte der DAStore seinen ersten öffentlichen Auftritt. Mit Arbeiten von sechs KünstlerInnen und Künstlergruppen aus unserm kommerziellen Programm wurden wir zur Teilnahme an eARTS beyond - International GalleryExhibition of Media Art in Shanghai eingeladen. Die Chance, den DAStore beim ersten Auftritt gleich in einer Stadt präsentieren zu können, die dreimal soviele Einwohner wie die Schweiz hat, nehmen wir als gutes Omen für die Zukunft des Projekts.





Text published in:
India Habitat Centre's Annual Arts Journal 2009 (edited by Alka Pande and Nils Roeller)
http://www.prohelvetia.in/fileadmin/pro_helvetia_india/docs/New_Media_Journal.pdf