Hans Renggli

Entmachtung der Schiedsrichter


Uri Tzaig im Migros Museum für Gegenwartskunst Zürich. Bis 15. August

Der 34-jährige Israeli Uri Tzaig macht Objekte, Texte, Videos und Installationen. Seit einigen Jahren beschäftigt er sich mit der Funktionsweise von Spielen, vor allem Teamspielen.
An der documenta X zeigte er Videos von einem Basketball- und einem Fussballspiel, die jetzt auch in Zürich zu sehen sind. Im Fussballvideo erkennt man nicht sogleich die Abweichung vom visuellen Stereotyp einer gewöhnlichen Fussballübertragung. Die Kamera bewegt sich nicht, rückt nicht durch Nahaufnahme an das Geschehen heran. Dieses hat ausserdem, wie man irritiert feststellt, zwei Brennpunkte, weil zwei Bälle im Spiel sind. Im unteren Drittel des Bildfeldes blendet Tzaig in der Art kommentierender Untertitel einen fortlaufenden, selbstverfassten poetisch-philosophischen Text ein. Sowohl die zwei Bälle wie der in keinem Zusammenhang zum Spiel stehende Sprachvortrag spaltet die Aufmerksamkeit und lässt tiefverwurzelte Erwartungen an das populäre Spiel ins Leere laufen. Es gibt kein eindeutiges Spielziel und keinen Gewinner.

Uri Tzaig beobachtet scharf die gesellschaftlichen "Choreografien", die sich in Spielen beispielhaft manifestieren. Dabei legt er die diesen eingeimpften Mentalitäten frei, indem er die Verhaltensregeln und den Kontext subtil verschiebt. Ob Basketball, Fussball oder Brettspiel, alle decken sie Grundmuster des gesellschaftlichen Wettbewerbs auf. Monoton geht es darum, wer gewinnt, wer verliert. Die heute vom Wirtschaftsleben völlig beherrschte Gesellschaft schleudert ungebremst auf ihren Kollaps zu, weil sie ihre Mitglieder radikal erschöpft. Ohne sich als Weltverbesserer inszenieren zu wollen, unterhöhlt Tzaig mit seinen witzigen, scharfsinnigen Analysen die darwinistischen Praktiken. Seine Arbeiten suggerieren Abkehr vom sturen Existenzkampf und Hinwendung zum Lebensfest durch Umformung der Spiele. Wenn Regel und Ziel des Spiels variabel und verhandelbar bleiben, können auch Verlierer Gewinner sein.
In Taigs Werk steht nicht das Medium im Vordergrund sondern die Idee. Im Migros Museum versammelt er ein weisses Duvet, silbrige Wandgemälde, einen stilisierten Strommast, Schriftzüge, Videos, Fotos und eine Arbeit von sechzig aneinandergehängten Kurzfilmen, die in genau einer Stunde sechzig Geschichten erzählen.