Hans Renggli

Machtpoker um Eminenz und Prominenz

Eine Ausstellung im Helmhaus Zürich gibt Einblick in die jüngere Tätigkeit der Ankaufskommission der Stadt. Bis 14. Januar 2001

Mit einer sehr entschiedenen Auswahl haben der Künstler Peter Fischli und der Kunsttheoretiker Christoph Schenker städtische Kunstankäufe der letzten fünf Jahre zu einer ambitiösen Inszenierung zusammengeführt. Von 140 gekauften Werken werden nur 35 von 18 Künstlern gezeigt. Die Reduktion macht die Auswahl zur "Autorenausstellung" der beiden Kuratoren, mit der sie für ihre ganz persönlichen Kriterien von Qualität einstehen. Die Ausstellung soll, wie Schenker betont, exemplarisch das seit einigen Jahren von der Ankaufskommission angestrebte Niveau bezeugen. Diese hat sich vor zehn Jahren das Ziel gesetzt, mit Zürcher Kunst eine international konkurrenzfähige Sammlung aufzubauen. Nicht mehr der Gebrauchswert als Büroschmuck soll im Vordergrund stehen sondern allein die künstlerische Qualität und Bedeutung der Arbeiten. Bewusst wurde der Termin parallel zur unjurierten Ausstellung im Hürlimannarreal angesetzt, um die Schere von Breite und Spitze der zeitgenössischen Kunstproduktion explizit aufzeigen zu können.

Qualität freilich ist in der Kunst nie ein objektiv bestimmbarer Wert sondern immer Gegenstand einer Debatte von Fachleuten, die naturgemäss kontrovers bleibt. Die Kraft einer Qualitätsbehauptung hängt einerseits von der gerade herrschenden Mode ab, andererseits vom Prestige der Personen, die sie sprechen. Die fünfköpfige Ankaufskommission setzt sich neben Fischli und Schenker aus der Konservatorin des Museums für konstruktive und konkrete Kunst Elisabeth Grossmann, dem NZZ-Kulturredaktor Roman Hollenstein und der Kunstkritikerin Caroline Kesser zusammen. Dass sich gerade Fischli und Schenker als Repräsentanten der Urteilskraft der Ankaufskommission durchgesetzt haben, entspricht der Macht, die sie innerhalb der Schweizer Kunstszene haben.

Fischli gehört zur internationalen Elite der Gegenwartskünstler, Schenker übt als Cheftheoretiker der Kunstklasse der Hochschule für Gestaltung und Kunst seit Jahren einen prägenden Einfluss auf den Schweizer Künstlernachwuchs aus. Es kann denn auch nicht erstaunen, dass eine ganze Reihe der berücksichtigten Künstler von ihm ausgebildet wurden. In seiner anderen Funktion als städtischer Preisrichter verteilt Schenker gleich auch die offiziellen Lorbeeren für gelehrige Schüler. Das ist nicht weiter skandalös sondern spiegelt das ganz normale Beziehungsgeflecht, in das die Schweizer Künstlerförderung eingebettet ist.

Immerhin gabs auch schon Kritik. Vor einigen Jahren hat Guido Magnaguagno vom Kunsthauses die Ankaufskommission dahin gerügt, sie würde elitär und für den Keller sammeln. Solchen Vorwurf wehrt Schenker selbstbewusst ab: "Was wir hier zeigen, genügt höchsten internationalen Ansprüchen." Und: "Wir kaufen, was das Kunsthaus in zehn Jahren kauft." Das wirkt hoch gepokert und lässt in der forcierten Pose die Unhaltbarkeit durchscheinen. Gerade die parallel laufende "Unjurierte" lässt auf dem Humus der hemmungslosen Massenkreativität viel Überraschendes sichtbar werden und unterstreicht, dass man ebenso gut auch ganz anders richten und wählen könnte.

Zieht man die Vorbehalte ab, bleibt immerhin eine durchaus sehenswerte, wenn auch nicht überraschende Ausstellung. Getreu spiegelt sie den Siegeszug der neuen Medien in den neunziger Jahren. Mit 11 Foto/Computer- und 10 Videoarbeiten sind sie zu zwei Dritteln präsent. Der Rest verteilt sich auf 6 Installationen, 4 Kunstobjekte, 3 Gemälde, eine Zeichenarbeit und eine Skulptur. Die meisten jungen Künstler legen sich nicht mehr auf ein Medium fest sondern wählen das Medium gemäss der künstlerischen Intention, die sie gerade verfolgen. Die neuen Fotomaterialien und Bildmaschinen ermöglichen Produkte von einer verführerischen Perfektion, die Künstler wie Olaf Breuning, Stefan Altenburger, Markus Wetzel oder Christoph Schreiber voll auszureizen suchen. Altenburger setzt mit dem Motiv einer Wiese im Fotoleuchtkasten auf jenen rein retinalen Ästhetizismus, den schon die Impressionisten aufhielt. Wetzel generiert am Computer ein ganzes Inselreich mit Traumvilla und Privatbootshafen als fiktives Elysium. Gemessen an Populärproduktionen wie dem Computerspiel "Riven" kommt dieses freilich noch immer reichlich handgemacht daher.
Meine Lieblinge aber sind der Objektkünstler Mario Sala und die französische Künstlerin Anneliese Coste. Sala verbindet in seinen Objekten Bildintelligenz und Fantasie mit einer wunderbaren Material- und Farbsensibilität. Ohne zu malen vertritt er in der Ausstellung die einzige überzeugende Position von Malerei überhaupt. Coste benützt die Zeichnung, das Schreiben und das Video mit lockerer Selbstverständlichkeit zur spontanen Fixierung ihrer schalkhaften, sprühenden Lebensenergie.