Hans Renggli

Von der Lust am Fälschen und Schminken

"Kleider machen Leute". Der Titel der berühmten Seldwyla-Novelle von Gottfried Keller lieh das Motiv für eine ungewöhnliche Ausstellung über das strittige Verhältnis von Mode und Kunst. Seedamm Kulturzentrum Pfäffikon SZ. Bis 19. Dezember

Die Ausstellung wurde vom Musée cantonal des Beaux- Arts Lausanne gestaltet und besteht im Kern aus Werken der museumseigenen Sammlung. Mit der Übernahme der ungewöhnlichen Schau will das Kulturzentrum Pfäffikon zum Brückenbau über den "Röstigraben" beitragen. Und die Romands locken mit Charme. Besonders die Malerei aus dem 18. Jahrhunderts überrascht und zeigt auf, wie eng die damalige Elite der Westschweiz mit der höfischen Gesellschaft Frankreichs verbandelt war.

Reich arrangiert mit Originalkostümen, Gemälden und Grafiken aus drei Jahrhunderten, errichtet die Ausstellung ein weitgespanntes amüsantes Panorama der Eitelkeiten. Der Meinung, die Mode sei kurzlebig, die Kunst aber beliebe zu dauern, wird resolut widersprochen, denn so klar geschieden sind sie mitnichten: Es verbinden Mode und Kunst nicht nur das Spiel von Sein und Schein, die Sinnlichkeit und die Lust an Farben und Formen. Immer schon dienten beide auch der Repräsentation von Reichtum, Status, Würde und Extravaganz.

Dem ist auch heute nicht anders. Auch die einschlägigen Szenen der Gegenwartskunst konstituieren sich als Lifestyle-Praxis bestimmter gesellschaftlicher Kreise, die sich durch Exklusivitäten vom Durchschnittlichen abgrenzen möchten. Dabei entscheidet der Stil der Kleidung ganz wesentlich, wer sich dazuzählen darf. Individuen, die heute das grauschwarze Farbgebot oder die Mode der flossenhaft erweiterten eckigen Schuhspitzen missachten, benötigen eine Extraportion Selbstbewusstein. Denn sie riskieren ähnlich sträfliche Missachtung ihrer Person, wie sie Damen des späteren 19. Jahrhunderts erfahren haben, die es wagten mit einer Robe ohne nach hinten ausladendem "Cul de Paris" das Boulevard zu betreten.

Zurückgehend auf ein verächtliches Urteil Platos, der die Mode und die Malerei auf die niederster Stufe stellte, stand die Mode im Abendland während Epochen im miserablen Ruf einer Täuscherin und Lügnerin. Demnach diente Mode bloss eitlen und selbstsüchtigen Instinkten und widersprach jedem Streben nach Höherem. Das kam dem Dichter Charles Baudelaire freilich gar heuchlerisch vor und er kämpfte dagegen an. 1863 schrieb er in einer Streitschrift über die Rolle des modernen Künstlers, es sei an der Zeit, "die Kunst der Toilette für die unsinnigen Verleumdungen zu rächen"... Gegen Platos Moral erklärte er die Mode als "Ausdruck der Liebe zum Ideal". Dabei verteidigte er insbesondere das "Fälschen und Schminken" als eine Pflicht der Frau, die sie zum "magischen und übernatürlichen Wesen" erhebe. Damit schlug er auch eine Bresche für die Unseriosität der Kunst, die dem Vergnügen, der Lust, kurz jenem frivol-sinnlichen Spiel zu verpflichten sei, auf dass sie die melancholischen Schatten der todgeweihten Kreatur vertreibe.

Die Ausstellung bezieht sich in den Hauptzügen auf drei Epochen, nämlich die Zeit der höfischen Adelsgesellschaft des 18. Jahrhunderts vor der französischen Revolution, die Zeit des Triumphs der Bourgeoisie im Jahrhundert der industriellen Revolution, sowie die vier ersten Jahrzehnte des 20. Jahrhunderts. Bei der gezeigten Malerei handelt es sich zur Hauptsache um Portraits, Genrebilder oder Historienmalerei. Dazu kommen in zwei separaten Kabinetten Erzeugnisse zeittypischer kommerzieller Kunst: Zeichnungen, kolorierte Kupferstiche und farbige Lithografien, aber auch Auszüge aus Modejournalen, die im 18. Jahrhundert erfunden wurden. Diese haben vor der Erfindung der Fotografie eine Riesenpotential von namenlos gebliebenen zeichnerischen Talente absorbiert.