Hans Renggli

Grosse Bühne für August Macke

Zum zweiten Mal in diesem Jahr setzt das Kunstmuseum Bern mit einer Hauptausstellung auf Paul Klee. Diesmal mit Umfeld. Die Ordnung der Farbe. Bis 4. Februar 2001

Die Ausstellung "Die Ordnung der Farbe", rückt die Maler Paul Klee(1879-1940) und August Macke (1887 -1914) ins Zentrum, deren Biografien sich in den Jahren 1911 bis 1914 für kurze Zeit berührt haben. Das Jahr 1914 markiert eine düstere Zäsur, an der sich das Jahrhundert in den ersten Weltkrieg und seine blutige Fortsetzung schickte. 1914 ist aber auch das Jahr, als Klee und Macke mit Louis Moillet nach Tunesien aufbrachen.

Die kurze Lustreise der drei Malerfreunde in den Orient schrieb als ein Lichtereignis des 20. Jahrhunderts Kunstgeschichte. Längst ist die Tunisreise ein Mythos und Klees damalige Tagebuchnotiz "Die Farbe hat mich....Ich bin Maler." erfreut sich einer Popularität, die sich bald mit den Volksmund gewordenen Sentenzen aus dem "Tell "und dem "Faust" vergleichen lässt.

Die Ausstellung, eine Koproduktion mit dem Kunstmuseums Bonn, bringt denn auch keine spektakulär neuen Einsichten, sondern hält sich an den sicheren Wert der heute äusserst publikumswirksamen Klassischen Moderne. Überaus sehenswert ist sie trotzdem, denn ausserordentlich ist die Qualität der Werkauswahl. So bietet sie Gelegenheit zur Begegnung mit grossartigen Originalen von August Macke, die sonst kaum in der Schweiz zu sehen sind.

Bonn besitzt die grösste Museumssammlung von Mackebildern überhaupt. Das gleiche gilt für Bern in Bezug auf Klee. Die Verbindung dieser Bestände, ergänzt von Leihgaben aus anderen Museen und Privatbesitz ergeben ein ausgesprochen dichtes Panorama jener heissen Phase der modernen Kunstgeschichte, in der die Farbe zu sich selbst fand. An dieser hatten selbstverständlich auch andere Künstler Teil, die teils zum Bekanntenkreis von Klee und Macke gehörten und mit Werken repräsentiert werden, namentlich Franz Marc, Wassily Kandinsky, Heinrich Campendonk, Louis Moillet und der Franzose Robert Delaunay.

Allen voran aber erhält Macke einen geballten Auftritt, der sein frühvollendetes koloristisches Talent grossartig darlegt. Macke, acht Jahre jünger als Klee, empfand die Farbe von Anfang an als das selbstverständliche Medium seiner Kunst. Seine Auffassung der Farbe war geprägt von einem zutiefst empirisch -optischen Verhältnis zur Welt. Den metaphysischen Neigungen seiner Kollegen aus dem deutschen Umfeld, besonders von Kandinsky und Marc, stand er skeptisch gegenüber. Der diesseitige französische Esprit lag ihm näher, und so beschäftigte er sich zunächst mit den Impressionisten und bezog dann entscheidende Anregungen von Delaunay und Matisse. Nach einem von Delaunay beeinflussten Abstecher in die Abstraktion gelangte er zu einer satten, lebendigen Synthese von frei instrumentierter Farbgebung und entschlossener Gegenständlichkeit, die in den Tunesienaquarellen ihren krönenden Höhepunkt erreichte. Und das bedeutete dann auch schon die Vollendung seines jungen Werks: Macke fiel nur Monate später im September 1914 als eines der ersten Opfer der Kriegsfront, zu der er mit ahnungslosem Frohmut aufgebrochen war. Man kann darüber spekulieren, ob mit Macke der deutschen Kunst ein Farbgenie verloren ging, das sich dereinst zu Matisse aufgeschwungen hätte, jenem Maler, der als Kolorist unerreicht über allen steht.

Klees Beziehung zur Farbe entwickelte sich vergleichsweise langsam und zögernd. Zunächst sah er seine Begabung klar in der Zeichnung und dem Hell-Dunkel. An seinen koloristischen Fähigkeiten dagegen hat er lange gezweifelt. Er fühle sich "nicht gerüstet", den Farbklang, der ihn in der Natur ergreife, festzuhalten, schreibt er 1908 ins Tagebuch. Und 1910 formuliert er als Ziel: "Wichtiger als die Natur und ihr Studium ist die Einstellung auf den Inhalt des Malkastens. Ich muss dereinst auf dem Farbklavier der nebeneinander stehenden Aquarellnäpfe frei phantasieren können." Die Notiz weist voraus auf eine vom Gegenstand unabhängige Farbgestaltung. Einen entscheidenden Schritt in dieser Richtung machte er, als er 1912 der Kunst von Robert Delaunay begegnete. Klee interessierte sich für die Architektur von Delaunays Bilder, die durch einfache Konstruktion die Gestaltung der Farbbeziehungen klärte und erleichterte. Delaunay ging es darum, die Erfahrung der Farbwerte als simultanes Sehereignis hervorzurufen. Dieses Prinzip nahm Klee auf und entwickelte es in den Quadratbildern weiter.

Die eigentliche Initiation in das Universum der Farbe aber, die ihn zum souveränen Maler machte, stand ihm noch bevor. Als er mit Macke und Moillet in Marseille das Schiff bestiegt, trug er die Hoffnung mit, seine Kunst würde durch die Begegnung mit der Farbe und dem Licht des Orients verwandelt werden. Und sie erfüllte sich wie im Märchen, siehe eingangs erwähntes Zitat, das sich seither in den Kunstgeschichtsbüchern wunderbar vermehrt hat.