Hans Renggli

Der Autodidakt als Weltprofi

Mit einer Künstlerausstellung ehrte das Kunsthaus Grenchen die vor einem Jahr verstorbene Zürcher Druckerlegende Peter Kneubühler.

Alles begann, als der 1944 in Albisrieden geborene Buchdrucker Kneubühler so Mitte der siebziger Jahre mit dem Zeichner und Radierer Franz Anatol Wyss ins Gespräche kam. Weil Kneubühler von Tiefdruck nichts wusste, verabredeten sie sich im Druckatelier der Kunstgewerbeschule. Dort demonstrierte ihm Wyss den Druck einer geätzten Zinkplatte. Kneubühler, begeistert, machte sich sofort hinter die Bücher und legte sich handwerklich ins Zeug. Bald schon druckte er für Wyss die Auflagen von dessen Radierungen. An der Kreuzstrasse richtete er sich ein Atelier ein. Ein Stock höher befand sich die Galerie Pablo Stähli. Als André Thomkins, der bei Stähli unter Vertrag war, bei ihm reinschaute, entstand eine weitere Künstlerbeziehung des intensiven Lernens. Für Thomkins druckte er erstmals Kupferplatten. Durch ihn lernte er auch die Weichgrundtechnik des Vernis mou kennen, den Rouletten-Kupferstich, die Aquatinta und die Subtilitäten, die das Wischen einer Kaltnadelradierung erfordern, die jeden Druck zum Unikat machen.

Unversehens sass Kneubühler im Hotspot der Schweizer Szene. Stähli war praktisch ein Monopolist, der die Mehrheit der damaligen Shootingstars wie Rolf Winnewisser, Markus Raetz, Martin Disler, Urs Lüthi, Leiko Ikemura und viele mehr vertrat. Er betätigte sich aber auch verlegerisch und gab regelmässig Mappenwerke heraus. Kneubühler wurde zu seinem "Hausdrucker". Von hier aus ergaben sich dann auch die Beziehungen zum New Yorker Verleger Peter Blum und zur Kunstzeitschrift Parkett, für die Kneubühler die Spezialeditionen zu drucken begann.

In kurzer Zeit war der Buchdrucker-Büezer, ohne je eine schulische Ausbildung in der Technik des Tiefdrucks gemacht zu haben, zum international gefragten Profi geworden. Was den Autodidakten, der als wahrer Dilettant begann, so sehr auszeichnete, war seine Offenheit und Experimentierfreude. Begeistert und unermüdlich erweiterte er sein Erfahrungswissen und eignete sich eine Sensibilität im Umgang mit Kunstwerken an, die auch Künstler der internationalen Szene beeindruckte und zu seinen Kunden machte.

Vor einem Jahr ist Peter Kneubühler im Zenith seiner Schaffenskraft erkrankt und bald darauf überraschend gestorben. Während die Kneubühler-Werkretrospektive im Helmhaus mit den grossen Serien eines Eric Fischl, James Turrell, John Baldessari und anderen Weltstars noch bevorsteht, ehrt ihn jetzt das Kunsthaus Grenchen mit einer sehr persönlichen Ausstellung. "Hommage an Peter Kneubühler" heisst die Auswahl und besteht aus zwei Teilen. Das Erdgeschoss enthält ausschliesslich Arbeiten, welche die Künstler ihrem Partner und Freund zum Abschied gewidmet haben. Viele haben eigens für die Ausstellung ein Werk geschaffen. Im Obergeschoss sind Arbeiten aus der Stiftung zu sehen, die Kneubühler einen Tag vor seinem Tod gegründet hat, um das druckgrafische Werk seines Ateliers für die Öffentlichkeit integral zu erhalten. Dieses enthält 1500 Einzeleditionen und 150 Mappenwerke, die mit sogenannten Druckerproofs oder Gut-zum-Druck-Exemplaren dokumentiert sind. Nicht wenige enthalten handschriftliche Widmungen der Künstler an den Drucker.

Der Erfolg stieg ihm nicht in den Kopf. Immer arbeitete er auch mit Aussenseitern und Schweizer Künstlern zusammen, die nur die Besessenheit für ihr Werk kennen und sich keinen Deut um internationale Karriere scheren. Wyss, Bräuninger und Peter Stiefel sind Beispiele. Stiefel war einer seiner engsten Freunde. Er half ihm regelmässig auch beim zeitaufwendigen Drucken der Auflagen. Lange bot Kneubühler zudem Atelierkurse an. Seinen Schülern stand er mit der gleichen Hingabe beratend bei, über die sich auch die Berühmtheiten glücklich schätzten. Mit seiner Frau, der Galeristin Esther Hufschmid, gründete er auch ein Grafikkabinett mit einem Programm, das unabhängig von Prominenz allein die Qualität und Eigenständigkeit des Mediums Druckgrafik ins Zentrum rückt.

Der Grenchener Ausstellung gelingt es, die ausserordentliche Persönlichkeit Kneubühlers zu vergegenwärtigen. Das hat mit den vielen persönlichen Beiträgen zu tun, die nicht die Autonomie des Werks und seine perfekte Inszenierung in den Vordergrund stellen sondern Erinnerung, Dankbarkeit, Bewunderung und Trauer. Gleichzeitig lässt sie auch die siebziger Jahre und die ganz andere, gleichsam noch regionale Intensität des damaligen Kunstklimas wieder aufleben. Exemplarisch spricht dafür ein wunderbare farbige Kaltnadelradierung Martin Dislers von 1978. Das Blatt erinnert, dass Dislers Zeichenkunst einst tatsächlich ein erregendes Kunstereignis war, bevor dieser sich als europäischer Malerstar zu inszenieren begann