Roman Kurzmeyer

Wer oder was ist Pawel Althamer für Sie?



Immer wieder bin ich beeindruckt von seiner persönlichen, menschlichen Präsenz. Kennengelernt haben wir uns 1997 nach der Eröffnung seiner Ausstellung in der Kunsthalle Basel. Drei Jahre später sind wir uns in Warschau wieder begegnet. Ich habe ihm von meiner Ausstellungsreihe im Schweizer Bergdorf Amden erzählt. Im folgenden Winter kam Pawel zu einer Ortsbesichtigung. Wir wanderten im Schnee. Rehe kreuzten auf diesem Rundgang mehrmals unseren Weg. Dieses Auftauchen und Verschwinden der Tiere bestimmte Pawels Erinnerung an den Ort und bildete den Ausgangspunkt für die Entwicklung seiner Installation in Amden. Er beabsichtigte zunächst, eine im bewaldeten Gelände verborgene skulpturale Arbeit zu schaffen. Realisiert hat er während seines Aufenthalts im Bergdorf im Sommer 2001 die Installation „Weronika“, die neben einem lebensgrossen plastischen Bildnis seiner Tochter auch eine Auswahl aus Weronikas ebenfalls in Amden entstandenen Zeichnungen und Scherenschnitte umfasste. Während einer Projektwoche mit Studierenden der Hochschule für Gestaltung und Kunst in Basel begab er sich am ersten Tag mit den Studierenden auf einen Stadtrundgang. Er wollte ihre Aufmerksamkeit auf den Stadtraum lenken. Die am letzten Tag ausgestellten, in Ton modellierten Arbeiten entstanden in einem Tag. Ziel der Studienwoche war es, künstlerisches Handeln aus und in der Gegenwart zu thematisieren. Fragen der Kontextualität und damit auch die Thematisierung der Grenzen der Kunst haben in seinem Schaffen einen wichtigen Stellenwert. Er arbeitet subjektiv situationsbezogen, mit einfachsten künstlerischen und technischen Mitteln. Die Umsetzung einer Idee in ein Werk, meistens in kurzer Zeit, und die Ausstellung der Arbeit sind seinem Verständnis nach oft nicht voneinander zu trennende Prozesse. Stets von neuem überrascht und interessiert mich genau dies, dass ihm nämlich der Wissens- und Erfahrungstransfer aus dem Alltag in die Welt der Kunst gelingt. Pawel Althamer ist ein Künstler der Realzeit.

Dieser Text ist erschienen in: Pawel Althamer: The Vincent Award 2004, Katalog, Bonnefantenmuseum, Maastricht 2004, S. 45.