Samuel Herzog

Performance-Konnotationen


Die Arbeit von Malern oder Plastikern führt zu Bildern oder Objekten, die in aller Regel dafür geschaffen sind, Jahrzehnte oder gar Jahrhunderte zu überdauern. Die Arbeit des Performance-Künstlers hingegen ist ganz auf den Moment hin ausgerichtet. So anstrengend sein körperlicher Einsatz ist, so flüchtig ist das Resultat. So jedenfalls will es die Theorie. In der Praxis allerdings werden und wurden die meisten Performances filmisch oder zumindest photographisch dokumentiert. Vor allem in den sechziger und siebziger Jahren wählten viele Künstler das Medium Performance, um programmatisch die Schaffung eines Kunst-Objektes zu vermeiden. Sie konnten oder wollten indes nicht verhindern, dass die Dokumentationen ihrer Auftritte selbst zu Gegenständen musealer Verehrung oder auch schnöden Handels wurden. Um solche Paradoxa geht es auch in vielen Arbeiten der britischen Performance-Künstlerin Hayley Newman, die derzeit im Genfer Centre d'Art Contemporain (CAC) zu sehen sind. Im Zentrum der Schau stehen die «Connotations - Performance Images»: Photographien und Beschreibungen von Performances, die gar nie vor Publikum aufgeführt, sondern lediglich für die Foto inszeniert wurden. So sehen wir die Künstlerin mit einer Brille, aus deren dicken Rändern ohne Unterlass Tränen strömen, in der Untergrundbahn sitzen. Wir sehen sie in völliger Dunkelheit nackt auf einem Trampolin hüpfen, in einem Müllsack auf der Strasse stehen, ihren Atem in Tüten abpacken usw. Mit spielerischem Humor geht Newman hier der Frage nach, was für Bedingungen denn wohl erfüllt sein müssen, damit eine Performance auch Performance ist. Gleichzeitig zitiert sie mehr oder weniger direkt Klassiker der Performance-Kunst von George Maciunas und Chris Burden über Adrian Piper und Carolee Schneeman bis zu ihrer ehemaligen Lehrerin Marina Abramovic - mythische Momente, die auch die 1969 geborene Hayley Newman nur von Bildern und aus Beschreibungen kennt. Mit dieser eher widerborstigen Ausstellung gibt Katya Garcia-Anton ihren Einstand als neue Leiterin des CAC - ein recht vielversprechender Auftakt.

Hayley Newman. Centre d'Art Contemporain, Genf. Bis 20. April. Katalog Fr. 20.-.



© Pro Litteris
Hayley Newman: «Crying Glasses (An Aid to Melancholia)», 1995. (Bild Katalog)


erschienen in NZZ, FEUILLETON, 11. Januar 2003 Nr. 8 60