Samuel Herzog

Die Königin und ihre Kröte

Maria Lassnig im Kunsthaus Zürich (2003)

Bei Fröschen weiss man nie so recht: Wenn man sie küsst oder an die Wand wirft und nicht bloss ihre Schenkel à l'alsacienne verzehrt, dann können sie sich mitunter in Prinzen verwandeln. So jedenfalls geschieht es im Märchen. Bei der österreichischen Künstlerin Maria Lassnig allerdings stehen die höfischen Aktien schlecht: Sitzt bei ihr ein Frosch auf dem Schoss, dann scheint es eher unwahrscheinlich, dass er sich je in einen Prinzen verwandeln könnte. Ist der Frosch auf dem Schoss von Lassnig doch wohl vielmehr eine Art Kröte im Hals - kein küssbares Gegenüber, sondern Metapher für ein im eigenen Körper lokalisiertes Gefühl. Die Künstlerin selbst spricht im Zusammenhang mit ihrer Arbeit gern von «body awareness» und meint damit die bewusste Wahrnehmung ihres eigenen Körpers als der «realsten Realität».
Im März 2002 hat Lassnig in Zürich den Roswitha-Haftmann-Preis entgegennehmen können (NZZ, 15. 3. 02). Nun wird sie im Kunsthaus mit einer Ausstellung geehrt, die Toni Stooss zusammengestellt hat. Die kleine Schau vereint hauptsächlich Bilder aus den letzten Jahren, darunter eine ganze Reihe von Selbstporträts, in denen die Künstlerin in Gesellschaft einzelner Tiere auftritt. Manche dieser Gemälde erinnern an Klassiker der religiösen Malerei: Das «Selbstporträt mit Hasen» etwa oder «Die gute Hirtin». In anderen Bildern scheinen eher sexuelle Konnotationen im Vordergrund zu stehen - so etwa im «Selbst mit Katze». Immer wieder tauchen auch Bilder auf, die von der Beschäftigung mit ungelebten Lebensmöglichkeiten zeugen: «Illusion von der Tierfamilie» etwa oder «Illusion von den versäumten Heiraten I», das die Künstlerin mit einem Kind in den Armen zeigt. - Stets dramatisch und fast immer auch ein wenig komisch (oder zumindest nicht ganz unironisch) tastet sich die Künstlerin malend durch die eigenen Empfindlichkeiten. Dabei muss natürlich manches mehrdeutig bleiben - auch im Fall der «Froschkönigin». Stellt das Tier, wie eingangs erwähnt, eine Art Gefühl im Körper dar, das gestreichelt werden will? Ist der Frosch das Symbol einer verpassten Lebensmöglichkeit etwa als Mutter? Oder soll das grüne Ding an diesem Ort eine Anspielung auf das männliche Geschlecht und also das Leben als Mann sein, das die Künstlerin ja ebenfalls nicht hat führen können? Wie dem auch sei - die Prinzenrolle bleibt bei Lassnig in jedem Fall unbesetzt.

Maria Lassnig - Verschiedene Arten zu sein. Kunsthaus Zürich. Bis 29. Februar 2004. Katalog Fr. 24.-.



Maria Lassnig: «Froschkönigin», 2000, Öl auf Leinwand. (Bild pd) © Pro Litteris


erschienen in NZZ, FEUILLETON, 20. Dezember 2002 Nr. 296 53