Hans-Christian Dany

Künstlerin in der Rolle der Vermittlerin
Oder: Was Kunstkritik alles sein könnte


Vermittlerin hört sich zur Zeit mehr nach den Menschen an, die sich in
der sogenannten Neuen Ökonomie gegenseitig ihre Erfindungen von
Bedürfnissen verkaufen. Oft sind diese Angebote eine Wiederholung,
mal die Hoffnung, daß es irgendwie weitergeht und die Käuferin an
dieser Zukunft teilhaben darf, gelegentlich handelt es einfach um gar
nichts.

Das Folgende handelt von der mit Neuer Kunstkritik beschäftigten
Vermittlerin; die aus der NÖ tritt nur in Nebenrollen auf. Trotzdem
kommt es zu dem einen oder anderen Interessenskonflikt, da die aus
der NÖ bekanntermaßen dazu neigen, sich ihre Tools einfach überall
zusammenklauben. Für viele Werkzeuge scheint dies nicht die
schlechteste Entsorgung. Andere sollten der NÖ nicht so einfach
überlassen werden.

Neue Kunstkritik, was das auch genau sein mag, bleibt von der NÖ
nicht unberührt. Selbstverständlich haben diese Begegnungen auch
schöne Seiten, lebt die Neue Kunstkritik doch in einem trägen Körper,
dem Bewegung nicht schaden kann.

Im Titel klingt auch nach Theater? Werden die Worte geschüttelt, tönt
es wie die Inszenierung einer mißratenen Wirklichkeit, in der es
funktionale Rollen zu besetzen gibt. Und während es da so klappert,
frage ich mich, ob der Titel nicht auch anders herum lauten könnte:
Vermittlerin in der Rolle der Künstlerin. Für mich persönlich ist das
klar, da ich nicht immer weiß, welche Rolle ich gerade in diesem
Stück spiele. Solche Selbstverunsicherung ist meine Methode, um
mich in Bewegung zu halten. Denn hat man einen Stuhl, dann sitzt
man fest. Da ich beim Sitzen Angst habe, dick zu werden, bin ich
immer wieder aufgestanden.

Ich glaube, die Frage läßt sich aber auch unabhängig von meiner
»Reise nach Jerusalem« stellen, da diese Berufe, Rollenmodelle
oder Arbeitsteilungen (Künstlerin/ Galeristin/ Kuratorin/ Kritikerin/
Sammlerin/ Ausstellungsbesucherin etc.) nicht vor allem dazu dienen,
Abhängigkeiten aufrecht zu erhalten, Möglichkeiten zu blockieren. Ich
frage mich, ob es nicht schlauer wäre, auf solche Konstruktionen und
Festschreibungen sozialer Bedeutung zu verzichten?

An der Arbeit im Bereich der Kunst hat mich immer gereizt: Sprache –
sei sie visuell, skulptural, theoretisch oder strategisch – zu erfinden.
Zeichen anders, erst mal falsch oder verdreht zu benutzen. Momentan
scheint es aber nicht so angesagt, die Codes zu hinterfragen,
auseinanderzuschrauben, eigene zu entwerfen. Vielmehr geht es seit
einiger Zeit vor allem darum, die Codes zu beherrschen. Zu wissen,
was, wann und wo das Richtige ist und wie Frau es tut. Einfach die
Spielregeln zu kennen und bei keiner Einigung auf Zeit zu spät zu
kommen? Es ist kein wirklich aufregendes Spiel, aber es hat Tempo.

Die erreichte Geschwindigkeit bei dieser wohl geordneten
Verschleißspirale, an der Frau sich mit dem richtigen Tip etablieren
kann, vermittelt den Eindruck, als würde kaum noch eine an die
Haltbarkeit eines künstlerischen Entwurfs, einer Schreibweise,
Haltung, Umgangsform, eines Gesichtes oder sonst etwas glauben.

Von Innovationen wird dabei viel gesprochen, real kommen sie aber
kaum vor. Vielmehr befinden wir uns, egal ob in Kunst oder
Ökonomie, in einer konservativen Phase der Abwicklung, der
Verwertung dessen, was schon vor langer Zeit erfunden wurde, und
aus dem nun rausgepreßt wird, was rauszupressen ist. Umso
erbärmlicher der Rest, der noch aus der Tube quetschbar ist, um so
als neuer auf den Teller erzählt zu werden.
Gut, gelegentlich wird gejammert, vielleicht, da das verwertete
»Herzblut« – so nennen die NÖs ihre Subjektivität – Teil der
Warenoberfläche ist, was zu einem latenten Konflikt führt, da es ein
romantisches Restverhältnis zur Kunst und dem Leben überhaupt
gibt. Aber Reste gehören zum Spiel.

Frau hat sich aber nicht nur in der Kunst oder Kunstkritik darauf
geeinigt, daß keine mehr die Zeit hat, etwas zu erfinden. Es gehört
auch zum guten Ton, sich permanent von den Spielregeln verbal zu
distanzieren, sie aber gerade aus dieser Distanz zu bejahen. Ein
Widerspruch, der eine seltsam in sich gekehrte Entsubjektivierung mit
sich bringt. Gespalten bleibt jede mit sich allein, bilden die Zweifel ein
Murmeln in den Bäuchen, während der »Oh la la, das Spiel ist super
super«-Chor in wechselnden Kostümen an den Bühnenrand tritt.
Mitsingen kommt besser, weil Frau sich sonst als Verliererin zu
erkennen gibt.

Wir sind also immer noch im Theater, haben uns nur ein wenig auf
der Bühne umgesehen, wo wir ja stehen, und sind wieder bei der
Frage, welche Rolle die Neue Kunstkritikerin darin spielt und warum
sie dies tut. Ich habe sie, wie andere Rollen, öfter selbst gespielt,
werde sie vielleicht wieder spielen. Es handelt sich bei ihr um keine
besonders gut, meist schlecht bezahlte und überhaupt undankbare
Rolle.

Also, warum schreibe ich Kunstkritiken, spiele die Kunstkritikerin?
Habe es immer wieder getan. Das wenige Geld kann kaum der Grund
sein. Aber es scheint für die Arbeit etwas anderes als Lohn zu geben.
Wenn ich die Spielregeln verstanden habe, muß Frau sich selbst von
diesem Surplus überzeugen. Warum sollte jemand einem das auch
abnehmen?

Vorschläge, warum Frau es tun könnte, werden einem schon
gemacht. Zuletzt war öfter zu hören, ein Lohn der Arbeit liege in der
Option, als first mover einen, natürlich neuen Entwurf in die
Öffentlichkeit bringen. Nun klang das Wort Öffentlichkeit sicher mal
gut, hat aber im allgemeinen »going public« – von allem und jedem –
einen gewissen Niedergang erlebt Die Herstellung von Öffentlichkeit
– früher nannten sie es auch: »etwas hypen« – bringt es nur bedingt
als Lohn, denn wenn der »Auftritt alles ist«, ist er auch nichts. Wer
halbwegs etwas auf sich hält, versteckt sich, spricht ganz leise oder
schweigt.

Welcher Lohn würde sich also noch bieten? Vielleicht eine Arbeit, von
der Frau nicht so genau weiß, um was es sich bei ihr handelt? Dem
Geheimnisvollen ist der Reiz nicht abzusprechen und Kunstkritik alles
andere als eine klar abgesteckte Sache. Oder wissen alle, was mit
Kunstkritik gemeint ist? Mir ist das nicht so klar. Sicher, über die Jahre
habe ich mitbekommen, daß es eine Vorstellung davon gibt, was
Kunstkritik sein soll. Die sieht ungefähr so aus, daß geschrieben wird
über Dinge, von denen andere (Künstlerinnen) behaupten, es handle
sich um Kunst. Dazwischen gibt es noch Dritte (Galeristinnen,
Kuratorinnen etc.), die Produkte in weißen Sälen oder dem
öffentlichen Raum plazieren. Kunstkritikerinnen unterstreichen und
erläutern die Behauptung, es handle sich um Kunst, indem sie das
Vorgegebene einer Öffentlichkeit mitteilen. So recht mochte ich mich
mit diesem setting nie anfreunden. Spannender scheint
mir der Arbeitsansatz: Was Kunstkritik alles sein könnte.

Kunstkritik könnte Rohstoffproduktion sein? Oder
Kunstkritik könnte die künstlerische Produktion übernehmen?
Kunstkritik könnte auch die Erfindung und das Zur-Verfügung-Stellen
von Räumen sein, in denen Kunst öffentlich wird? Oder das
Versprechen der Prosumentin in einem nicht verkapitalisierten Feld
einlösen? Wenn schon soviel Arbeit freigesetzt wird, könnte
Kunstkritik auch neue Gedächtnisse dafür entwickeln? Ja, warum
nicht, und warum nicht noch viel mehr.

Vor den Details dieser Ausweitung möchte ich aber einigen
Mißverständnissen vorbeugen: Bei der expansiven Definition von
Kunstkritik bis zur Auflösung geht es nur gelegentlich um
Künstler-Selbstvermittlung. Das Plädoyer gegen die Teilung der Arbeit
in Spezialisierungen wie Kunstkritik zielt nicht darauf, ein
Super-Subjekt zu entwerfen, das alles selber macht. Auflösung des
Künstlerinnen-Subjekts meint auch nicht einen Ausverkauf der Kunst, sondern
vielmehr eine Verstärkung künstlerischen Denkens. Sollte ich
gelegentlich in den Tonfall der Dereguliererinnen verfallen, geht es
darum, die Versprechen, die diese uns täglich machen, beim Wort zu
nehmen. Nicht gemeint ist eine Strategie, die an die Stelle von
Benennungen wie Künstlerin oder Kunstkritikerin den Begriff der
Kulturproduzentin setzt. Diese Begrifflichkeit arbeitet inzwischen vor
allem den Strategien der Kulturindustrie bzw. der NÖ zu. Die
Kulturproduzentin hält inzwischen als Modell her, das sich ständig
neu und kontextorientiert in den Anforderungen der NÖ erfinden kann,
um irgendwie Wert zu schöpfen. Mir geht es aber um die, die sich aus
der Wertschöpfung erst einmal hinausbeamen, um dort etwas
anderes zu tun. Es geht also um eine Wiederherstellung dieses
Außerhalb unter veränderten Bedingungen.

Was bietet sich im Innerhalb? Oft und an verschiedenen Orten hört
Frau, daß heute viele Leute in Doppelräumen sitzen – also
unterschiedlichen Tätigkeiten gleichzeitig nachgehen. Hinter diese
Behauptung lassen sich einige Fragezeichen setzen. Sicher, die
übliche Unterbezahlung macht eine Mehrfachtätigkeit für viele
zwingend. Das wird seit ein paar Jahren als ganz normal empfunden.
Für Künstlerinnen ist es noch länger selbstverständlich, warum
moderne Arbeitsforscherinnen sie im Moment gern als Prototypen der
neuen Arbeitswelt anführen. Auffällig ist, daß die Doppel- oder
Dreifachbelastungen nur in den seltensten Fällen zu einer Aufhebung
der Arbeitsteilung innerhalb eines Produktionsablaufs führen. Konkret
heißt das, nicht wenige arbeiten an verschiedenen Stellen der
Wertschöpfungskette, führen verschiedene Spezialisierungen aus – in
der Kunst z.B. Malen oder Kuratieren oder Schreiben, öfter auch
Graphik oder Fotografie. Aber nur in Ausnahmefällen verdienen sie
dabei sowohl soziales wie monetäres Kapital mit den
unterschiedlichen Tätigkeiten, fast nie erhalten größeren Zugriff auf den
gesamten Arbeitsablauf.

Auch wird die Arbeit meist auf eine Spezialisierung fokussiert, sobald
sich in einem Bereich der »Erfolg« einstellt – sich eine
Spezialisierung als verwertbarer herausstellt. Neben der
angenommenen Effektivierung dient die Teilung der Arbeit vor allem
zur Aufrechterhaltung der Hegemonie innerhalb des Systems. Keine
soll zuviel Zugriff auf die Wertschöpfungskette bekommen. Es gibt
kaum Beispiele einer langfristigen, kontinuierlichen Arbeit in den so
gern gelobten Doppelfunktionen.

Häufig taucht ab einem bestimmten Punkt das Problem auf, daß
Künstlerinnen, die Schreiben und / oder kuratieren, in dem Moment,
wo sie zu lange innerhalb der Vermittlung oder Distribution tätig sind,
als Produzentinnen ihres Produktes nicht mehr ernst genommen
werden (oder andersherum). Irgendwann ist damit Schluß, es wird eine Entscheidung
verlangt, was man denn nun tun will, bzw. wenn diese Entscheidung
nicht gefällt wird, fallen einzelne Tätigkeiten fast automatisch raus.

Schon die weniger arbeitsteiligen Mehrfachtätigkeiten vor der
Spezialisierung haben eine Funktion innerhalb der den Markt
umgebenden Aufmerksamkeitsökonomie. Mit Markt ist nicht nur der
Kunstmarkt im engeren Sinn gemeint, sondern auch Institutionen
(Akademien, Kunstvereine etc.), »raw product« (z.B. ungeformten
content) zuliefernde Subszenen etc. Innerhalb dieser
Aufmerksamkeitsökonomie wird erst einmal gemacht und getan, im
allgemeinen für lau, um an den Fluß bezahlter Arbeit vorgelassen zu
werden – eine Art auf die Bewerberinnen ausgelagerte und von ihnen
selbst organisierte Arbeitsvermittlung. Die dabei freigesetzte,
preisgünstige Arbeit geht selbstverständlich in den
Akkumulationskreislauf ein. Um sich in der Wertschöpfungskette zu
verankern, müssen sich die Eigennamen aber als Label
spezialisieren. Durch die Verengung der Tätigkeit wird die
Erscheinung geschärft. Die Arbeit der Gelabelten wird so besser
adressierbar für die Nachfrage – A ist buchbar, um aus allem Pop zu
machen, B versteht sich auf Net.Art, C ist buchbar für Spezialisierung
Y. Die Eigendynamik der künstlerischen oder kunstkritischen Arbeit
wird der Logik ihrer Verwertbarkeit nachgeordnet - das
Selbstmarketing formatiert die Arbeit. Die anderen, eben nicht so
kompatiblen Spezialisierungen werden zur historischen Fußnote in
der Biografie, deren Wert durch die Bank (im Falle der Künstlerin z.B.
das Museum) verifiziert wird.

Diese Logik »umherschweifender Produzent(inn)en« im Terrain der
Kunst führt dazu, daß eine strikte Logik der Arbeitsteilung
aufrechterhalten wird. Auch scheint Umherschweifen eine
beschönigende Formulierung, da die Flaneurinnen nur eine
reduzierte Teilarbeit ausüben, mit der sie sich qua Buchung über
wechselnde Orte von Wiederholung zu Wiederholung bewegen. Stellt
sich die Nachfrage nicht ein, bleibt die Flaneurin auf dem Fleck. Durch
die Notwendigkeit, die eigene Oberfläche in eine verwertbare Identität
zu verwandeln, wird eine vorstellbare Vielfalt von Arbeit ausblendet.
Viele Formen von Produktion kommen gar nicht mehr vor bzw. werden
von der Dynamik platt gemacht. Es kommt nicht darauf an, was Frau
tut, sondern wie es sich verkauft – wie es rüberkommt, in welchem
wiedererkennbaren Gestus.

Innerhalb der Produktionsmaschine Kunst kommt hinzu, daß diese
sich in einem marginalisierten und subventionierten Markt bewegt, auf
dessen Bühnen sich die Protagonistinnen oft nur den Schein einer
prosperierenden Wertschöpfung vorspielen. Schon lange akzeptiert
man hier rückhaltlos die Verwandlung des Versprechens der
Freizeitgesellschaft zur Lebensform Arbeit. Und wenn alle Arbeit super
finden, stellt sich die Frage, ob da nicht was faul ist und ob nicht
vielleicht besser wäre, faul zu sein.

Nun wollte ich mich nicht nur beklagen über die oder meine
Verblödung als Teilarbeiterin im Kunstbetrieb – sogenannte
Qualifikation oder Konzentration –, sondern ein verändertes
Verständnis von Arbeit entwickeln.

Um eine der Lieblingsparolen der NÖ aufzugreifen, könnte Neue
Kunstkritik bedeuten, die Wertschöpfungskette Kunst zu flexibilisieren.
Konkret hieße dies, Spezialisierungen zugänglich zu machen, Werte
neu zu definieren, Produktionspotentiale zu erschließen etc.
Interessanter als eine Verfeinerung durch Spezialisierung erscheint
eine Vorstellung von Arbeit, die sich aus einer mäandernden
Bewegung zwischen verschiedenen Spezialisierungen
zusammensetzt – in gewisser Hinsicht versuche ich also, das sich
komischerweise nie einlösende Versprechen der NÖ beim Wort zu
nehmen. Konkreter hieße dies, daß Kunstkritik geschrieben wird aus
einem praktischen Wissen um die Malerei; Malerei sich aus dem
konkreten Umgang mit der Arbeit von anderen speist usw.; die
verschiedenen Tätigkeiten permanent durch ihren Wechsel in Frage
gestellt werden – Arbeit sich durch ihre Mannigfaltigkeit qualifiziert.
Ich behaupte, daß viele redundante Produktion nicht entstehen würde,
wenn sich ihre Produzentinnen diesem Widerstreit der Arbeitsformen
aussetzten. Was die Arbeit gleichzeitig qualifizieren würde, während
das zentrale Anliegen der Teilung der Arbeit ist, die Arbeitsleistung zu
quantifizieren.

Die starre, arbeitsteilige Wertschöpfungskette Kunst, die diesen
Perspektiv- bzw Arbeitswechsel blockiert, soll im folgenden modellhaft
dargestellt werden. Den Einstieg in das Modell bilden einige
eingangs schon erwähnte Vorschläge, was Kunstkritik sein könnte –
außer darüber zu schreiben, was als solche markiert, herumsteht,
sprich, durch medialisierte Multiplikation und Vermittlung eine
Wertsteigerung des Produktes Kunst zu erzeugen. Denn viel mehr tut
Kunstkritik momentan nicht, außer als Regulativ an der Schnittstelle
zwischen Angebot (Vermittlung 1) und Nachfrage (Konsumtion) zu
fungieren. Die Arbeit von »Kunstkritikerinnen« könnte aber bereits im
Feld des Rohstoffs ansetzen. Warum fällt so wenigen mögliche Kunst
ein, die bisher weder von ihnen oder anderen hergestellt wird. Warum
bilden im Moment so wenige Texte den Ausgangspunkt für
künstlerische Produktionen? Warum wird das Problem so mancher
nur unnötig den Raum versperrenden Kunst nicht schon auf dem Feld
des Rohstoffs verhandelt?
Auch gibt es relativ wenige Kunstkritikerinnen, die sich im Feld der
Produktion betätigen. Hier sind größtenteils Künstlerinnen aktiv. Bei
Vermittlerinnen ist fast eine Art Selbstverbot zu beobachten, selbst zu
Produzentinnen zu werden. Einer der Gründe dafür ist das die
Hegemonie stabilisierende Regulativ einer Fetischisierung der
künstlerischen Produktion.

Allgemein wird weiterhin von diesen Trennungen ausgegangen, im
besonderen von der Vermittlung. Die Kunstkritikerin tritt an das heran,
was von der Künstlerin produziert worden ist. Sie vermittelt es,
verhandelt es, stellt eine Wertsteigerung her und arbeitet der
Distribution zu. Redlich und bescheiden. Vorstellbar sind aber ganz
andere Modelle oder die Adaptionen von Praktiken aus anderen
Feldern.

An einem weniger symptomatischen Rand der NÖ, im Bereich der
Entwicklung von Software, gibt es die open source-Bewegung –
inzwischen relativ bekannt durch den Erfolg des Betriebssystems
Linux. Dazu ließe sich viel sagen. Ich möchte mich aber auf den
Aspekt konzentrieren, daß das Produkt hier erst mal ökonomisch
zweitrangig behandelt wird. Dafür ist es notwendig, daß die kollektive
Arbeit an Software größtenteils unbezahlt geleistet wird und die
monetäre Wertschöpfung erst bei der durch die sich freisetzende
Arbeit greift. Um ein solches Modell für die Kunst vital zu machen,
wäre es natürlich notwendig, sich von solchen problematischen Ideen
wie Autorinnenschaft, Copyright und der Arbeitsteilung zu
verabschieden.

Diese Übertragung ist gar nicht so abwegig, da das Produkt in der
Kunst meist erst einmal »wertlos« ist, vor allem ein Kostenfaktor
(humanes Kapital, Material, Lager). Monetärer Wert, sieht Frau von
den Direktmärkten einmal ab, wird erst erzeugt, wenn die Produkte in
die Vermittlung 1 (Galerien, Kunstvereine, Kuratorinnen) und
Vermittlung 2 (Medien, Kunstkritikerinnen) weiterverarbeitet, also
distribuiert werden. Arbeit bedeutet hier, daß ein Wert behauptet und
Öffentlichkeit hergestellt wird. Darüber hinaus beteiligen sich
Vermittlung 1 und 2 eher weniger an der Produktion, wohl auch, da
immer noch gern an der Mär eines autonomen Subjekts gestrickt
wird. Aufgebrochen wird diese Arbeitsteilung durch das Auftauchen
der Kuratorin in den achtziger Jahren. Seit dem haussiert der Anteil
der Produktion von Kunst on demand, also für vorgegebene
Situationen oder einer konkrete Nachfrage. War das Gros der
ausgestellten Kunst bis in die späten achtziger Jahre zum Zeitpunkt
der Planung einer Ausstellung schon produziert und mußte nur noch
aus dem Atelier abtransportiert werden, hat sich das Verhältnis
inzwischen umgekehrt. Was in Ausstellungen zu sehen ist, entsteht
zum größten Teil, nachdem die Einladung zu einer Ausstellung oder
einem Projekt ausgesprochen wurde. Setzt eine Ausstellung viele
Produktionen frei, gilt dies heute als Gütesiegel – während das »extra
hierfür entstanden« bis in die Achtziger oft negativ besetzt war. Die
Diskursmacht innerhalb der Wertschöpfungskette hat sich also
erheblich verschoben. Innerhalb einer linken Kunstdiskussion wurde
dies, als InSitu, gern als Angriff auf das autonome Kunstwerk
gelesen. Es läßt sich aber als relativ affirmative Spiegelung des
Wechsels vom Fordismus zum Postfordismus, also der
Verschiebung von industrieller Produktion im Zentrum kapitalistischer
Wertschöpfung hin zu der immateriellen Vermittlungsarbeit
gegenüber einer wählerischen oder verelendeten Nachfrage
interpretieren – die Kuratorin als eine Variante der content-managerin
oder Marktforscherin betrachten.
Obwohl Vermittlung 1 so wichtig geworden ist, arbeitet Kunstkritik hier
nur indirekt. Meist bleibt ihnen nicht viel mehr als die Rolle des
Beobachters, garniert mit dem Respekt, der den vervielfältigten
Medien entgegengebracht wird.

Da sich die Teilung der Arbeit sich nicht so umgehend verändern wird,
wie ich dir das wünsche, möchte ich mit einigen eher praktischen
Überlegungen, quasi für die Übergangszeit, die aber gar nicht so lang
werden dürfte, schließen. Der Ansatz zielt erst einmal auf eine
überschaubare Zahl von Rezipientinnen. Ein Gegenüber, mit dem
noch in einem Austausch gestanden werden kann. Mir scheint das
Denken in einer Logik, die den Wert verbreiteter Information in
Einschaltquoten summiert, eine eher fragwürdige
Milchjungenrechnung innerhalb einer sich auf allen Ebenen
partikularisierenden Gesellschaft. Auch gehe ich nicht davon aus, daß
sich Veränderung in einer Relation zur Verbreitung bzw. Auflage steht.
Eher von der Vorstellung, bei wenigen etwas anstoßen, das von ihnen
im Schneeballsystem weitergetragen wird. Diese notwendigen
Zwischenschritte der Übertragung erzeugen auch eine Übersetzung in
andere Partikularsprachen, die sich zentral nur noch schwer leisten
läßt. Konkreter bemühe ich mich zwar des Öfteren um die Lesbarkeit
meines Schreibens, sehe aber auch die Notwendigkeit, so zu
schreiben, daß es nur für sehr wenige entzifferbar ist oder als völlig
unverständlich empfunden wird. Ich fühle mich der Forschung
verpflichtet. Und wer erwartet Allgemeinverständlichkeit von einer
Molekularbiologin oder Rhodanisten? Außerdem, wenn die Parole
der »Informationsgesellschaft« lautet, daß sich alles und jeder
kommuniziert, gibt es gute Gründe, sich unverständlich und
abweisend aufzuführen.
Zudem bringt das Schreiben über oder als künstlerische Produktion
immer die Möglichkeit mit sich, den Boden des Vertrauten zu
verlassen, im Dunkeln zu tappen, um dort etwas zu finden, das das
Gewußte in Frage stellt. Eine solche Sprache hat andere Aufgaben,
als sich einer großen Menge an Leserinnen mitzuteilen. Aus dieser
Perspektive der Suche stellt sich ständig die Frage, wer eigentlich
kompetent ist. Allein das ist Grund genug, eine Sprache, die sich
autorisiert, zu vermeiden. Dieser Anspruch kann über eine Struktur
wie die der vertrauten Kunstmagazine nur bedingt eingelöst werden.
Ich habe das lange versucht, es gibt auch immer wieder Nischen,
aber die sind nicht genug. Zu oft muß Textformaten, den Themen oder
einer Objekt-, sprich produktorientierten Sprache Genüge geleistet
werden.

Im Jargon der neuen Betriebsamkeit wird es wohl
unprofessionell genannt, was ich anstrebe. Ich nenne es eher
selbstbestimmte Arbeit am Rande eines Diktats der Ökonomie.
Anders formuliert, ließe sich auch sagen, ich versuche hobbyesk
Kunstkritik, Kunstgeschichte und Theorie zu schreiben, Kunst zu
produzieren, zu kuratieren.
Gut, manchmal benehme ich mich auch professionell in hobbyesken
Verhältnissen, aber Professionalität sieht in diesem Sommer wie
eine Hose aus, die man nicht mehr sehen kann, weil jede sie trägt.
Nun ist gegen Geld, was die Professionalität gelegentlich mit sich
bringt, nicht grundsätzlich etwas einzuwenden. Aber gegen die
Verhältnisse, unter denen es angeeignet werden soll und vor allem
die Totalität, mit der diese sich behaupten. Wenn sich jede, Tag
ein-Tag aus, selbstverwerten soll, ihr Wert permanent taxiert wird,
bereitet es einfach mehr Genuß sich zu verschwenden. Man kann es
also auch Luxus nennen. Diesen Ansatz als Einzelne zu verfolgen,
ist weder interessant noch relevant und vermutlich langfristig auch
gar nicht möglich. Vielmehr geht es um die Entwicklung mutationsan-
fälliger Strukturen.