Barbara Basting

Auftritt: Der Kunstbetriebskritikkünstler

Christian Jankowski demontiert geistreich die Codes und Rituale des Kunstbetriebs. Eine Werkschau im Basler Museum für Gegenwartskunst.


Persiflagen, Satiren und Parodien auf die Bizarrerien der modernen Kunst und des Kunstbetriebs gehören zum Standardrepertoire jedes besseren Karikaturisten oder Komikers. Ob nun ein Loriot vergeblich das abstrakte Bild in einem Salon gerade zu hängen versucht oder Harald Schmidt mit umwerfender Keckheit androht, er werde bei seinen Führungen, für die ihn demnächst das Kölner Museum Ludwig engagieren will, die überaus bewegende Frage stellen, warum ein Bild blau statt rot sei - stets geht es um den munteren Florettstich in den Verklärungsnebel.

Kinder und Telemystik
Weil die Kunst trotz anders lautender Beteuerungen von Künstlern und Vermittlern ein Gebiet der speziellen Sprachregelungen, der Ab- und Ausgrenzungsrituale, der Expertencodes ist, fordert sie solche Lachnummern heraus. Sie entlarven das Hochgestochene als Hokuspokus, den vermeintlichen Tiefsinn als Attitüde. Ihre entlastende Funktion ist nicht zu unterschätzen: Sie sind ein Angebot zur Güte an all jene, die nicht drauskommen oder sich ausgeschlossen fühlen. Sie wirken entlastend und sichern dadurch der Kunst vielleicht ihren Freiraum - allerdings um den Preis, nicht immer so ganz ernst genommen zu werden. Das akademische Pendant zur satirischen Demontage ist die ebenfalls florierende Kunstbetriebssoziologie, die eifrig Rituale und Codes von der Vernissage über den Sponsor bis zum Kritikerjargon mit oft so amüsanten wie erhellenden Studien untersucht.
Aber noch amüsanter und hinterhältiger ist es, wenn ein Künstler wie der 1968 geborene, in Berlin lebende Christian Jankowski die Ebene der Kunstbetriebskritik betritt. Im Basler Museum für Gegenwartskunst bietet ein Rückblick auf sein Schaffen der letzten zehn Jahre nun Gelegenheit, seine diversen Schelmenstücke und Streiche unter Einbeziehung diverser unfreiwilliger Freiwilliger näher zu inspizieren. Zum Beispiel «The Matrix Effect», eine Installation aus acht Fotografien und einem knapp halbstündigen Video. Es wurde von Jankowski zum 25-Jahr-Jubiläum des Matrix-Museumsprogramms zur Förderung zeitgenössischer Kunst im Wadsworth Atheneum gedreht. Wie in einer Tele-Show über Kunst befragt die Kuratorin der Jubiläumsausstellung in jovialem Stil namhafte Künstler, von Sol Le Witt über John Baldessari bis Christo und Jeanne-Claude über ihre Erinnerungen an die damalige Zusammenarbeit.
Nur ist das Ganze eine Inszenierung, in der Kinder die von Jankowski verfassten Rollen von Künstlern und Kuratorin übernehmen. Mit röntgenologisch scharfem Blick erfasst er in den Dialogen die rhetorischen Rituale, das Seichte und zugleich hysterisch Aufgedrehte solcher «authentischer» Kunstgespräche. Das eitle Gebaren und die Marotten der dargestellten Künstler, die devote Aufmerksamkeit, die Kuratoren «ihren» Künstlern meist entgegenbringen, hat er präzis studiert. Aus dem Mund von Kindern, die ab und zu aus der Rolle fallen, klingt das Ganze ziemlich altklug und dadurch doppelt albern. Eine vergnügliche Demaskierung eines Sprachspiels, das den Betriebsteilnehmern nur allzu bekannt ist und dem doch niemand entrinnt.

Umfunktionieren von Plattformen
Ein weiterer satirischer Höhepunkt ist «The Holy Artwork», ein Video, in dem Jankowski einen amerikanischen Teleevangelisten offenbar dazugebracht hat, über den Zusammenhang von Kunst und Religion zu schwadronieren. Zugleich tritt der Künstler in dem Film selber auf, nämlich als Special Guest, der aber vor Beginn der Predigt zu Boden sinkt und bis zu ihrem Ende dort bleibt. Die Zuschauer - die Besucher der Telekirche und die des Ausstellungsraums - wissen nicht, inwieweit sie hier einer Inszenierung oder einer «echten» Predigt aufsitzen. Ist Kunst Ersatz für die Religion, oder verdankt sie dieser gar erst höhere Weihen?
Immer geht es Jankowski darum, bekannte Plattformen und Medien für seine Zwecke umzufunktionieren. Das können Schaufenster sein wie in der Installation «Schamkasten» oder der fingierte empörte Brief eines Italieners an den Verleger des Katalogs, der vor Jankowski und seinen «Betrügereien» warnt und folgerichtig im Katalog abgedruckt ist.
Dieser Brief nimmt raffinierterweise möglichen Kritikern Jankowskis den Wind aus den Segeln. Nicht ungeschickt, denn wenn es am Schluss etwas zu nörgeln gibt, dann vielleicht dies: Die parasitäre Meta-Ironie kommt zwar brillant daher, läuft sich aber vermutlich irgendwann tot. Aber zuvor wird noch mal kräftig gelacht.

Bis 7. 12. 03 Katalog «Dramensatz» mit allen Dialogen im Christoph-Merian-Verlag.

Text erschienen in: Tages-Anzeiger Zürich, 2003-10-06; Seite 59