Barbara Basting

Kunst-Catering

Das Zürcher Kunstprojekt "Mergingzone" bringt Kommerz und Kunst, Virtualität und Realität zusammen


Zürich hat einen neuen Ort (location) für Kunst. Der heisst Mergingzone (Fusionierungsgebiet). Die Zone befindet sich (an bestimmten Tagen und teilweise) in einer leerstehenden Wohnung in der edeltoten Freigutstrasse. Sie findet sich auch im Internet unter www.mergingzone.net und hat, damit gleich von vornherein die tiefe Unprovinzialität klar ist, eine Zweigstelle in New York.
Fusioniert haben nicht nur die vier Gründungsmitglieder - der Architekt Josi Stucki, die Künstlerin Regula Michell, der Raum- und Webdesigner Stefan Roovers und die Leiterin von mixedmess@age in New York, Mike Taylor. Verschmolzen werden auch ein Internetprojekt mit einem Kunstraum mit einer Lounge mit einer Bar mit einer Galerie. Den Begriff des Versuchslabors sei, so Michell, am passendsten. Ein "Modell für Denken und Handeln" wollen die vier Gründer entwickeln.
"Es" - was auch immer das sein mag - "geschieht im raum zwischen den dingen. Der raum zwischen kunst und künstlern, künstlern und publikum, publikum und kommerz, kommerz und kunst". Die beiden letzten Wörter sind im Infoblatt fettgedruckt, die Kunst steht an zweiter Stelle. Selten wird im Kulturbetrieb so sympathisch direkt gesagt, dass vom gerade dort weitverbreiteten Idealismus niemand so recht satt wird. In einer durchkommerzialisierten Welt kann Kreativität auch bedeuten, sich auf elegantem Weg das nötige Kleingeld für Experimente zu beschaffen.
Die Wurzeln der Zone sind im Kunstexperiment "Morphing" auszumachen, das im Sommer 1998 in der ehemaligen Sanitas-Klinik in der Freigutstrasse ablief. Josi Stucki, heute "director global finance/organisation" von Mergingzone, hatte dafür gesorgt, dass eingeladene Künstlerinnen und Künstler das Gebäude bis zu dessen Abbruch bespielen konnte. Zum Projekt gehörte, nicht zuletzt zwecks Quersubventionierung, eine "ec-bar" - sprich: exchange and communication, ganz und gar untypisch für Bars -, die Regula Michell heute an den Veranstaltungen von Mergingzone weiterführt. Auch die DJs, die schon in der "Klinik" Kunst- und Partyszene zusammenbrachten, fehlen nicht.
Den realen Raum von "Mergingzone" hat Stucki, Vertrauensarchitekt einer Pensionskasse, von deren Direktor vorübergehend zur Verfügung gestellt bekommen. Dort finden nun alle paar Wochen so genannte Events statt, bei denen Werke und Künstler vorgestellt werden. Webkünstler Kasan Mantel, der bei der jüngsten Veranstaltung mit "mergingwhomp" eine raffinierte Webarbeit zeigte, fiel den Vertretern einer neuen Anlagefirma auf. Diese will ihre Homepage mit Webkunst aufwerten. "Mergingzone" kann also eine Klientel bedienen, der herkömmliche Kunst nicht flott genug ist, die Avantgarde pur sucht.
Das ist der kommerzielle Aspekt. Aber Mergingzone vermittelt nicht nur Werke, sondern produziert sie auch. Auf der Website gibt es einen entsprechenden Link, wo Vorschläge zur Begutachtung durch die Zonen-Kuratoren eingesandt werden können. Stefan Roovers, der auch für den professionellen und attraktiven Webauftritt von "Mergingzone" verantwortlich ist, begleitet die Produktion. Darüber hinaus werden sogar "reale" Kunstwerke vorgestellt.
Dahinter verbirgt sich eine grundlegende Einsicht, die Josi Stucki so formuliert: "Die Zusammenarbeit im Netz hat Grenzen. Das Ideal der Netzgemeinschaft erweist sich in der Praxis als problematisch, es braucht einfach den persönlichen Kontakt". Den realen und virtuellen Raum miteinander zu verknüpfen, die Immaterialität der Webkunst und die Einsamkeit des Betrachters vor dem Screen aufzubrechen, klingt erfolgsverdächtig.
Wie gut die Zone-Members organisieren können, kann am 2. September im Kunsthaus Zürich überprüft werden, wo sie die "Nacht der Museen" gestalten. "Es wird eine Party geben mit DJs und Live acts, untermauert von Visuals: grossen Projektionen einer Online-Geschichte", so Michell. Natürlich gibt es auch eine "Bar für Exchange und Communication" und "die Lounge zum Hängen." Nicht von Bildern, wohlgemerkt. Von daher sind Projekte wie die "Klinik" oder "Mergingzone" symptomatisch für eine fortschreitende Muse(en)dämmerung: Wo keine Party, da keine Kunst. Really.

Mergingzone, Freigutstr. 20, Zürich, www.mergingzone.net
Die Dokumentation über das Klinikprojekt "MORPHING" ist soeben in der Edition Patrick Frey erschienen und kostet 68 Franken.