19.12.00


Ja, es weihnachtet zünftig in unseren Strassen. Die Kaufhäuser schlagen uns ihre Geschenkideen um die Ohren, die Soldatinnen und Soldaten der Heilsarmee rücken posaunend um ihre Gabentöpfe zusammen, das Radio sendet anti-depressive Musik und die Grossmütter lassen sich bei Franz Carl Weber den Unterschied zwischen einer Beretta und einer Magnum erklären. Père Noël, soviel ist sicher, ist schwer im Stress mit seinem heavy Sack auf den Schultern. Das aber müsste nicht sein, würden wir anstatt an den Schwarzwald ans Internet glauben. Hier, wo leise die Pixel rieseln, herrscht die grosse Leichtigkeit und man kann sich - anstatt die falschen Geschenke zu bekommen - die richtigen gleich selbst besorgen. Denn das WWW hat für jeden Geschmack das passende Angebot - oft sogar gratis. Helfen wir also dem Weihnachtsmann, beschenken wir uns selber. Zum Beispiel mit einem neuen Bildschirmschoner, mit künstlerisch hochwertigen Desktopmotiven oder mit einem der exklusiven Angebote aus dem «Organics Shop».


Saver Screen
Auch wenn neuere Bildschirme meist so konstruiert werden, dass sich die Daten nicht mehr einbrennen können und «Screen Safers» deshalb unnötig geworden sind, eine raffinierte Anima-tion auf dem Schirm kann die Arbeitspausen artistisch aufwerten und das Büro in einen Kleinstkunstraum ver-wandeln. Eine Reihe von zwanzig solchen Schonern, entworfen von Künstlerinnen und Künstlern, bietet das von der Firma «Intel» betriebene Netzmuseum an. Klassiker finden sich hier genauso wie neueste Experimente. Jenny Holzers «Lustmord» von 1996, entstanden im Zusammenhang mit ihrer gleichnamigen Ausstellung in der Kartause Ittingen, dürfte eines der frühesten Projekte dieser Art sein: Mit ständig wechselnden Worten, die über Fragmente von Körperhaut geblendet werden, thematisiert sie Gewalt gegen Frauen. Ganz einfach und sehr «computergerecht» funktioniert «The Thief» (1999) von Francis Alÿs: In einem hellen Fenster, das in dem ansonsten schwarzen Schirm ausgespart ist, taucht aus dem Dunkeln eine Schattenfigur auf, klettert auf uns zu durch das Fenster und verschwindet wieder im Dunkeln. Der Download eines dieser Bildschirmschoners (für PC und Mac) dauert je nach Grösse zwischen zwei und fünfzehn Minuten. Je nach Ausrüstung des eigenen Computers muss man sich dann allerdings noch eine Version von WinZip besorgen, was weitere zehn Minuten dauert. she
Site des Museums: http://www.artmuseum.net
Site für Download von WinZip: http://www.winzip.com


Stimuli
Wer sich nicht nur in den Pausen von Kunst stimulieren lassen möchte, hat schier endlose Möglichkeiten von Künstler- oder Museumssites Bilder als Hintergrundbilder für den Desktop herunterzuladen. Manchmal lassen sich diese Bilder aber dann nur schwer auf die Grösse des Schirms anpassen, verzerren sich unschön oder verkommen zu schrecklichen Pixelgärten. Auf einigen Sites werden deshalb auch Bilder angeboten, die eigens als Hintergrundbilder für den Schreibtisch entworfen wurden: Justin Dauer zum Beispiel bietet in seinem «Pseudo-room» solche Motive unter dem Titel «stimuli» an, gleichzeitig kann man sich hier (als MAC-User allerdings nur) auch neue «Icons» herunterladen - alles künstlerisch hochwertig versteht sich. she
Site von Justin Dauer: http://www.pseudoroom.com


Nachzüchtungen von Marias Gebärmutter
Wer denn endlich mit seinem Schreibtisch, seinen Icons und Schonern zufrieden ist oder nach einem Festplattencrash solche Investitionen eher vermeidet, findet im «Organics Shop» ganz bestimmt das passende Geschenk für sich selbst. Für noch nicht ganz winterharte Männer bietet sich hier die «strapazierbare weiche Eskimohaut» an, die in verschiedene Tiefen erhältlich ist und - wenn auch etwas teuer - die Ausgaben für Wintermäntel und Heizkosten rapide zu senken ver-spricht. Frauen dürften sich vielleicht eher von einem anderen, ganz besonders weihnächtlichen Angebot verführen lassen: «Authentische Nachzüchtungen von Marias Gebärmutter für alle, die schon immer jungfräulich empfangen wollten». Über Lieferbedingungen und Rückgaberechte ist nichts bekannt - die Redaktion lehnt in dieser Beziehung jegliche Haftung ab.
she
Site: http://www.xcult.org/ateliers/ramshow/issue20/k3000