Vorbemerkung: Da Frau Zarnegin sich auf den Vortrag von Dr. Stephan Schmidt bezieht, dieser aber aus den geschildertebn Gründen nicht in gleicher Form im Internet publiziert werden kann, können einige Passagen unklar oder missverständlich wirken. Wegen der sehr eindrucksvollen Sprache und Ideen lasse ich ihn aber vorerst unverändert.

Cathy Zarnegin


 

 

Kommentare zum Vortrag von Stephan Schmidt

(im Programm irreführenderweise Gegendarstellung genannt)

Vortrag am 5. 12. 1998 im Kaskadenkondensator, Basel

 

 

 

 

 

 

 

Wenn Sie das Programm gelesen haben, da steht (je nach Programm, es gibt verschiedene Fassungen davon), dass ich hier eine Gegendarstellung zu dem, was Stephan Schmidt hier vorgetragen hat, vorstellen werde. Der Begriff Gegendarstellung ist ein bisschen irreführend, man könnte meinen, ich hätte die Absicht, hier etwas zu widerlegen und das ist falsch.

 

Ich werde in aller Kürze fussnotenartig ein paar Aspekte beleuchten und ein paar Punkte vor allem unterstreichen, die uns im Anschluss vielleicht die Möglichkeit geben, gemeinsam zu diskutieren.

Tatsächlich ist der Vater im Vergleich zur Mutter eine vernachlässigte Figur in der Psychoanalyse, vielleicht mit Ausnahme von Jacques Lacan, bei dem der Vater eine der Leitfiguren ist. Wenn wir vom Vaterbild sprechen, sind wir uns einig, dass Sie jetzt nicht zufrieden wären, wenn ich ein Passfoto meines Vaters mitgebracht hätte. Auch verknüpfen wir nicht mit dem Bild des Vaters irgendetwas mit dem Spermatozoon. Alles das also ist der Vater nicht.

Vater sein ist ein Amt und zwar im strukturellen Sinne.

Wie sie sehen, distanziere ich mich etwas von diesem Begriff Bild, von diesem Bild des Vaters.

Der Vater ist diejenige Instanz, die die Zweieinheit der Mutter und des Kindes zur Sprache werden lässt. Er ist diejenige mythische Referenz, ohne die kein Sprechen auskommt. Denn, wenn wir sprechen, sprechen wir das immer im Namen von etwas, nämlich im Namen des Vaters.

Umgekehrt heisst das was? Es heisst, dass ein Fehlen oder Verfehlen der Vaterfunktion jenes Sprechen hervorbringt, das als psychotisch qualifiziert wird, jenes Handeln, welches als pervers gilt. Das Verschwinden des Vaters als gesetzgebende Instanz bringt Kinder hervor, die an der Mutter kleben, Kinder die zum Abfallcontainer werden, es bringt vaterlose Väter hervor, die sich nie von ihrer Mutter trennen können etc. etc.

Also so etwas wie eine Kettenreaktion.

Der Vater ist eine Funktion und ich insistiere auf dieses Wort, weil es uns zeigt, dass es nicht einfach um den realen Vater geht, sondern um eine symbolische Funktion des Vaters, d.h. der reale Vater kann noch so nett und lieb sein, darum geht es nicht.

Nun, was sagen von einem Vater, der seine Funktion real missbraucht?

Eines ist klar: der gehasste Vater hat immer einen Sohn, der ihn sucht und auch findet in der Gestalt eines anderen Vaters, der ihm das Gesetz diktiert. D.h. als eine Institution oder als Staat. Der dem Vater untreue Sohn ist ein treuer Diener des Staates. Ich glaube die extremste Konsequenz einer vaterlosen Gesellschaft kristallisiert sich im Phänomen Hitler-Vater.

Diese Situation scheint im Fall, von dem wir soeben gehört haben, vorzuliegen. Ein vaterloser Sohn, treuer Diener des Nazi-Staates, einer, der Demokratie hasst, dieser jedoch als gesetzgebender Instanz dennoch gehorcht (das ist nur ein scheinbarer Widerspruch), versagt in seiner Funktion als Vater. Er tritt seinen Kindern gegenüber nicht als eine im ethischen Sinne gesetzgebende Instanz auf, sondern als ein Gesetz, das die Gewalt anerkennt. Sie sind mit mir einverstanden, das eine gesetzgebenden Instanz, wie das Vater-Amt eine ist, die jedoch die Gewalt befürwortet und praktiziert, einen pervertierten Kodex inkarniert. Nicht von ungefähr also, dass der Sohn dieses Mannes, unser Patient, tatsächlich auch mit perversen Neigungen zu kämpfen hat. Ich meine sogar, dass die Depressionen dieses Mannes seine Waffen sind, um nicht seinen perversen Wünschen, die sich auf kleine Mädchen richten, nachzugeben.

"Ich bin ein Psychopath" sagt er von sich selbst.

Mir ist die Sequenz nicht klar, warum diese Aussage gedeutet wird als "Ich habe kein Recht auf Wut", ohne damit die Bedeutung der Wut-Thematik in der Therapie herabwürdigen zu wollen.

Also noch einmal: das tyrannische Überich, der Vater dieses Patienten, inkarniert nicht das Gesetz des Verbots, des Inzestverbots (das ist die Funktion des symbolischen Vaters), sondern ein Simulacrum des Gesetzes, ein zerstörtes Gesetz.

Entsprechend ist der Imperativ dieses Überichs einer, der das Geniessen einer perversen Handlung diktiert.

"La perversion", sagt Lacan, "c'est la version du père."

Hier wäre es wichtig gewesen, etwas mehr von der Mutter des Patienten zu wissen.

Der Traum von Abraham, einem Prophetensohn, der im Dienste des Gott-Vaters steht, ist entscheidend: Die Besserung der Depression danach hatte damit zu tun, dass erstmals der "symbolische gesetzgebende" Vater in seiner radikalsten Gestalt -nämlich als Gott- den tyrannischen, imaginären Vater ersetzt. Diese neue Richtung, diese neue Tendenz, weg vom imaginären Vater, wenn Sie so wollen, weg vom Vaterbild, hin zu einem symbolischen Vater, einem dessen Gesetzgebung das Setting der Kur festlegt, leistet wichtiges.

Es ermöglicht, wie der Traum verdeutlicht, die eigene Positionierung in eine genealogische Reihe.

Insofern ist der Schluss dieser Geschichte ein buchstäblich versöhnliches Ende. Der Patient ist in der Beziehung zur jüngeren Frau, wie gesagt wurde, auch der grosse Bruder. Der Bruder, der er in seinen sexuellen Fantasien in Bezug auf kleine Mädchen auch ist. Er ist Bruder und in dieser Funktion auch Sohn, er ist endlich versohnt.

 

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