D e r   R a r e

 
Ruhig liegt der Rare im Bett, sein Gesicht versinkt beinahe in den weichen Kissen, und nur das Zucken seiner Augenlieder und Füße verrät Leben unter dem hellen Stoffhaufen.
Das Klicken des einschaltenden Radioweckers holt ihn von seiner Reise zurück, er blinzelt maulwürfig ins Morgengrauen und tastet suchend nach seiner Brille. Da er nicht fündig wird, lehnt er sich zurück und genießt den verschwommenen Anblick seines Zimmers, während er mit einem Ohr den Morgenmeldungen lauscht.
Bei diesen Nachrichten ist ihm die Lust zum Liegen vergangen. Er tastet mit der Zehenspitze den Boden ab, auf der Suche nach seinen Pantoffeln, stößt dabei an seine Brille, nach der er greift - und sieht nun auch die Pantoffeln, in die er schlüpft, während er sich langsam aufrichtet. Auf dem Weg in die Küche öffnet er das Fenster und startet im Vorbeigehen auch noch seinen Computer. Er setzt Wasser auf, schluckt sein Frühstück in kleinen Häppchen mit etwas lauwarmem Wasser und liest dabei die Kehrseite der gestrigen Tageszeitung.
Der Rare ist interessiert und in seiner "geistigen Gegenwart" offen für alles Neue.
Der Waßerkocher pfeift, und er gießt seinen Tee auf.
Noch mit dampfbeschlagenen Brillengläsern klemmt er sich vor seinen Computer, welcher ihn mit einem programmierten "Guten Morgen!" begrüßt.
Er steckt sich eine Zigarette zwischen die Lippen, sucht nach seinem Feuerzeug und stößt dabei auf eine CD, die er fasziniert in seinen Computer schiebt, dabei stürzt dieser ab und während des Neustarts eilt der Rare zum Briefkasten und steigt lesend, immer noch mit der unangezündeten Zigarette im Mundwinkel die Treppe hoch. Wieder vor dem Computer, begrüßt ihn dieser aufs Neue mit einem programmierten " Guten Morgen!", der Rare sucht weiter nach seinem Feuerzeug und findet Streichhölzer, auf dessen Umschlag eine ihm unbekannte Telefonnummer notiert ist. Diese wählt er und wartet mit überschlagenen Beinen auf eine Stimme am anderen Ende. Niemand meldet sich, und er merkt plötzlich, das er dringend aufs Klo muß.
Er zieht die Spülung und erinnert sich plötzlich an den angeschütteten Tee, der inzwischen kalt und bitter ist.
Mit einem Glas Orangensaft setzt er sich zurück auf seinen beräderten Stuhl und startet sein Modem.
Der Rare arbeitet schon lange an einem großen Projekt , in das er sich auch jetzt vertieft, wenn es plötzlich an seine Tür klopft. Er bittet herein, während er noch schnell das letzte E-mail retourniert. Endlich dreht er sich um und grüßt seinen wartenden Besucher. Dieser kommt schnell auf den Punkt und schildert dem Raren sein Anliegen. Zusammen setzen sie sich an den Bildschirm und versuchen, dem technischen Problem auf die Spur zu kommen, was ihnen natürlich auch gelingt.
Kaum ist der Fehler behoben, wird der Rare wie von einem Magnet von seiner Arbeit angezogen. Den Vorschlag seines Besuchers, mit ihm doch etwas Kleines zu essen, lehnt er dankend ab und murmelt etwas von einem nächsten Mal, während er nervös seine Maus hin- und herschubst. Nach ein paar weiteren Versuchen, den Raren von seiner Arbeit weg zu locken, gibt der Besucher auf und zieht, einmal mehr erfolglos, alleine weiter.
Kaum noch realisiert der Rare das Einschnappen der Tür, schon sitzt er wieder vor seinem Computer, vertieft in sein Projekt, und freut sich über die komplexe Struktur, die es allmählich annimmt.