D e r   F a u l p e l z

 
Der Faulpelz liegt im Bett und wartet auf den Kuß der Muse.
Er kann noch lange warten.
Das Klingeln des Telefons schrillt in seinen Ohren, aber er ist zu faul, es abzunehmen, er wäre ohnehin zu spät.
Vergeblich versucht er sich zu erholen, vom Lärm, vom vergangenen Abend oder von der letzten Woche, aber seine Faulheit ist zu faul dazu.
Gähnend bleibt er liegen und grübelt über seine Faulheit, aber er ist zu faul, um sein Grübeln zu Ende zu führen. Er grübelt sozusagen im Kreis von Frühlingsmüdigkeit, Sommerschläppe, Herbstdepression und Winterschlaf und spielt mit dem Gedanken, nie mehr aufzustehen, bis ihn das Klingeln der Türglocke auf die nackten Füße zwingt.
Ein unterdrücktes Gähnen verzerrt sein Gesicht während er die Tür unmerklich einen Spalt weit aufzieht und seinen Besucher unter schweren Liedern anblinzelt. Zwischen Tür und Angel verharren sie, bis sich dem Faulpelz vor Kälte die Haare auf dem Nacken sträuben.
Endlich rückt er zur Seite und läßt seinen Besucher eintreten. Kälte strahlt von dem Ankömmling ab während er aus seiner raschelnden Jacke schlüpft, und da der Faulpelz die Kälte scheut, schlüpft er unter die Decke und wartet, bis diese kühle Frische der stickigen, muffigen Nestwärme gewichen ist.
Da weder der Eine noch der Andere Neuigkeiten zu berichten haben, schweigen sie sich an, und wie aus einem Ventil fließt der letzte Hauch Energie ins Nichts.
Sie sinken unmerklich in einen Zeitraum, der als Leerraum empfunden wird und sich zur Langeweile ausdehnt.
Aus der Langeweile heraus bilden sich Staubfäden aus mürrischen, mißmutigen Anschuldigungen, in denen sich die zwei verheddern.
Ein vegetierender Parasit sei er!
Der Faulpelz weiss, Vitamintabletten würden sein Leben beschwingen. Statt dessen zündet er sich eine Zigarette an und starrt Löcher in den Rauch.

Von einer aufkommenden Ungeduld getrieben, löst sich der Besucher aus seiner Vernebelung, schlüpft wieder in seine inzwischen aufgetaute Jacke, murmelt eine Entschuldigung für seine plötzliche Eile und macht sich aus dem Staub.

Kaum alleine, legt sich der Faulpelz wieder auf seinen faulenden Kunstpelz und studiert seiner Faulheit nach, die eben zu faul ist, sich ihm zu offenbaren.
Der Geruch von "angeschmürzeltem" Zigarettenfilter holt ihn aus seinen Luftgebilden hervor.
Eigentlich sollte er sich endlich das Rauchen abgewöhnen. Er werweist zwischen den verschiedenen Entwöhnungsmöglichkeiten hin und her, dazu mischen sich weitere Pendenzen. In seinem Kopf beginnen sich die Gedanken zu verzetteln, sie vermischen sich zu einer trüben Suppe, und sein Zimmer verschwindet in dichtem Nebel vor seinen zufallenden Augen.

Sehnsucht sucht ihn auf, Fernweh drückt ihn noch tiefer in die Kißen und er verspürt plötzlich Heimweh nach dem, der er sein könnte.

Er versinkt in tiefen Schlaf, und die vermeintlich äußeren Zwänge, die ihn dazu drängen, seine Faulheit zu verbergen, verlieren sich allmählich in seinen Träumen, aus denen er irgendwann wieder auftaucht in seinem großen Bett, in welchem er sich laut gähnend versichert: "Wovon man nicht handeln kann, darüber muß man faulenzen", und wälzt sich dabei vor seinen Fernsehapparat.

Inzwischen ist ein Druck auf seiner Blase fast unerträglich geworden. Er rapelt sich wohl oder übel auf, um sein lästiges Geschäft zu verrichten. Nach einem Umweg über die Küche schlurft er gelangweilt wieder in sein Nest zurück, zappt mit seiner Fernbedienung, schmatzt Cornflakes und trinkt kalten Kaffee dazu.
Seine Stirn wirkt glatt und rund im bewegten Schein des Bildschirmes, und rund wölbt sich sein Rücken und dessen Verlängerung, auf der er seine Zeit verhockt.