Wie es ihr gefällt und die Prinzen singen:
Alles nur geklaut**

Wenn ein Schlager einschlägt, dann trifft er auf einen Schlag: den Kopf, den Zeitgeist oder mitten ins Herz. Kluge Köpfe sind im Bilde - statisch, bewegt und virtuell - und bilden ein Zeit-Bild, das festhält, was sich bewegt in den glücklichen Momenten der Einsicht: Was einmal gedacht wurde, kann wieder gedacht werden. Einblick genügt, und verknüpft mit der grossen Geste der Wiederholung setzt sich eigentümlich fort, was alle wissen: Eigentum ist Diebstahl.



Aber, was da wieder geholt wird, an welchem Ort, zu welcher Zeit, das ist nicht dasselbe, nicht die Wiederkehr des Immergleichen, es ist das Spezifische in der Besonderheit von Personen und Situationen. Eine Person – vielleicht Klepto Manie – eignet sich Gedanken und Ideen an, statt Geld wie Hitchcocks Marnie, und verliert dabei die Anführungszeichen. Ausweisen kann sie sich an der Grenze. Wer von Wahrheit spricht, simuliert. Die Simulakren waren doch immer eine Sache des Webens und Flechtens, nicht erst durch die Neuen Medien. Das Neue ist vielleicht der Unterschied, den die Wiederholung macht, wenn sie nicht Zwang und Trauma folgt, sondern Sturm und Drang; jenem Trieb, sich Äussern zu müssen, und sei es für einen Augenblick, statt für die Ewigkeit, der nicht mehr und nicht weniger ist als ein Unterschied, in dem aber zu sehen ist, wie die Form in der Wiederholung selbst zu leben beginnt und ein Wagnis eingeht als wäre es - ganz appropriativ - das Schönste. Und die Prinzen singen, wie es ihr gefällt: Das ist alles nur geklaut und gestohlen, nur gezogen und geraubt. Entschuldigung, das hab' ich mir erlaubt.
Die Geste der Wiederholung bringt keine Kopie zum Ausdruck, sie ist Darstellung einer Bewegung, einer Transaktion oder Interaktion, die einen Unterschied setzt, der eine Umgebung schafft. Mit Steve Reich können wir sie hören und mit Sherrie Levine sehen.



Die Wiederholung thematisiert Differenz: die Hervorbringung des Verschiedenen. Wiederholen heisst sich verhalten, allerdings im Verhältnis zu etwas Einzigartigem oder Singulären, das mit nichts anderem ähnlich oder adäquat ist. Die Spiegelungen, Echos, Doppelgänger gehören nicht zum Bereich der Ähnlichkeit oder der Äquivalenz; und sowenig echte Zwillinge einander ersetzen können, sowenig kann eine Seele getauscht werden.
Auswählen ist eine Art des Schaffens. Im Handeln den Unterschied machend, wird die Wiederholung schöpferisch: andere Möglichkeiten, vieles wird denkbar, fühlbar, erfahrbar.

Die alten Griechen glaubten, dass sich das Wirken eines geordneten Kosmos in der Musik spiegelt. Es herrschte die Vorstellung, dass durch die Bewegung der Sterne und Planeten am Himmel Musik entstehe. Beim Betrachten einer Ausstellung von Sherrie Levine könnte man sich daran erinnern, oder an das Schweigen von John Cage oder an Joseph Beuys, der das Schweigen von Marcel Duchamp überbewertet fand, oder an ein Chamäleon, das eben nicht die Farben seiner Umwelt annimmt oder nachahmt, sondern seine eigenen Farben produziert. Wiederholung hat also nichts mit Ähnlichkeit zu tun, das liefe auf ein Gleichsein oder Vergleichen hinaus. Denn es gibt das Beharren, das in der Emphase nie ein Wiederholen sein kann, weil Beharren immer lebendig ist und wenn es lebendig ist, sagt es nie etwas auf die gleiche Weise, weil Emphase niemals die gleiche sein kann. Wiederholung gleicht sich nicht, wenn sie lebendig ist.
In der Wiederholung lernt die Form das Leben, das, was es heisst, im Augenblick die Vergangenheit zur wiederkommenden Zukunft zu machen. Wiederholung nennt in der Gegenwart, was Zeit ist, und sie treibt sich in der Zeit weiter. Wiederholung ist Erinnerung in Richtung nach vorn. Nur, sie treibt nicht das Eine voran, auf Eines zu, zum Einen hin als Subjekt und Objekt. Sie legt nicht fest, sondern eröffnet Dimension und Vielfalt wie eine Tür. Was ein Prozess ist, dem sowohl die Ichhaftigkeit als auch die Eigenschaft der Gegenständlichkeit abgeht, weil er sich in einer Absetzung von der bisherigen Idee der Subjektivität wiederholen lässt.



Eine Vielheit hat weder Subjekt noch Objekt, wenn sie im Unterschied von Ich und Du eine allen individuellen Ichs sowohl in gleicher Weise bekannte als auch in gleicher Weise fremden Vorstellung der Subjektivität annimmt. Objektiv nicht im allgemeinen, was nur auf dasselbe hinausliefe, sondern einzeln und auch gemeinsam, wie es eine in gleicher Weise bekannte und fremde Umgebung sein kann: Nicht mehr Eigentum der Ereignisse, sondern Ereignisraum des Begehrens, Wünschens. Ein Begehren, das nicht mehr fragt, ob es wirklich ist, sondern ob es wiederholt werden kann mit einem Danach. Und Noch-Einmal. Aber nie So-Wieder. In einer Lebendigkeit, die passiert und eben nicht erinnert wird, die eine Tat ist.

Das ist aber nicht der Lauf der Dinge, das ist eine Sache des Faltens, eine Verbindung mit diesem und jenem Innen und Aussen, von einer Linie zur anderen springend, durch Bruch die Fluchtlinie verlagernd, ausdehnend, wechselnd, ändernd bis in alle Richtungen zugleich. Vom Subjekt zum Projekt mit offenen Karten. Das heisst: eine Karte auslegen. Sie kann in all ihren Dimensionen verbunden oder entbunden werden und umgekehrt wie eine Montage.
Auf Montage gehen: Viele Eingänge, Zugänge und Auswege versperren nicht die Wege, im Gegenteil, sie werden nett und netter: internett.
Das Spiel nähert sich dem blossen Weben, wie es die Mythen den Parzen und Nornen zuschreiben, jenen Schicksalsgöttinnen, die das Weben und Flechten nicht als ihr Schicksal begriffen, sondern als Gabe. WeltWeitesWeben. VervielfÑltigung und Multiplikation, die Falte (le pli) als Methode der Konnexion und Heterogenität: Unterschiedliches, die verschiedenen Arten schliessen sich weder aus noch ein, sie können gefaltet werden zu einer Verbindung, verkettet ohne Ketten, Springer sein von einem zum anderen. Die Überlagerung der Dinge betreibt spielend eine total tolle Zirkulation der Zustände. Man muss kein Schwein sein in dieser Welt, wenn man spielen kann.
Zum Beispiel wie die etoys. Prinzen auch sie, sieben, die magische Zahl, in Orange und Schwarz und mit Sonnenbrille (nicht wie Heino und seine Doppelgänger, mit denen immer die Frage dasteht: Wer ist der Richtige?). Alle sieben tragen sie die Glatze wie ein Original. Die Wiederholung richtet sich auf etwas nicht Austauschbares, ohne Identität, das bezeugen sie. Identityfreezer. Eine glanzvolle Trophäe: die Goldene Nica für die Auflösung des Ichs zum höchsten Gut, das reich ist an positiven Versprechungen für die Medien.



Die Wiederholung gründet nicht in einer extremen Ähnlichkeit, nicht in der Genauigkeit des Getauschten, nicht in einer Reproduktion des Identischen, weder Identität desselben noch Gleichwertigkeit des Ähnlichen: Die Wiederholung gründet in der Intensität des Verschiedenen. Das Double gibt sein Geheimnis preis: Die Wiederholung setzt nicht dasselbe oder Ähnliches voraus, sondern erzeugt im Gegenteil selbst das einzige Selbe dessen, was sich unterscheidet, und die einzige Ähnlichkeit des Verschiedenen. Die Differenz gibt zu sehen, die Wiederholung zu sprechen.
Ist es nicht eine faszinierende Welt, in der die Identität des Ich, des Einen oder der Einheit des Ganzen verlorengegangen ist zugunsten einer intensiven Vielheit und einem Vermögen zur Verwandlung. Ich bin viele. Und zwei sind nicht eins, wenn sie sich einig sind, auch nicht in der vermeintlichen Symbiose - eines der grössten Trugbilder des Abendlandes.



Wer nicht länger von Gedanken leben will, wird sich dem Du hingeben, das im Moment der Liebe einzig wird und auch wiederholt werden kann, wenn es denn ein Spiel ist, wie es ihr gefällt, und zu Ende ist, wenn es ihr nicht gefällt. Die Liebe hat also immer einen Anfang und kann auch ein Ende nehmen, da es die Wiederholung gibt, die den Unterschied setzt und wieder einen Anfang macht. Die Haltung des Experimentierens ist auch für die Liebe ein Gewinn, damit es weitergehen kann im Karussell und nicht gleich auf den nächsten Markt. Für Spieltrieb und Liebestrieb gibt es keine Regeln, nur das Gefühl der Vertrautheit, wie ja das Wort Liebe auch gebraucht wird, von dem wiederum alle - einzeln und auch gemeinsam - Gebrauch zu machen sich wünschen, wollen sie nicht einsam sein. Es geht also um den Gebrauch oder Umgang. So einfach ist es, die Unumgänglichkeit der Liebe anzuspielen. Und so verbindet sich das eine mit dem anderen, wo mal dies und mal jenes auftaucht wie Gnocchis in der heissen Suppe.
Die, die das Spiel verderben wollen, heissen Hacker und könnten so gefährlich werden wie eine Atombombe, wenn nicht eine Grenze simuliert würde und tatsächlich einen Halt böte, der zu sehen, zu lesen und zu hören wäre im grenzenlosen Verkehr der nomadisierenden und navigierenden Soft- und Hardwerker und -werkerinnen. Eigentlich meint ja Simulation etwas ausleben, was unter sehr ernsten Bedingungen tödlich wäre. Als Vorstellung belebt der Begriff ein Probehandeln, das ein Experiment im Umgang und Gebrauch mit Wachsamkeit spielend ermöglicht. Und so erzeugen die Neuen Medien eine immer erneute Vorsicht, auf Überraschungen und Störungen gefasst zu sein. Sie reihen sich damit ein in die beschleunigte Eigendynamik der alten Spielregeln in Wirtschaft, Wissenschaft und Politik, die die Gesellschaft ständig mit neuen Problemen konfrontieren. Der Unterschied, den die Neuen machen, zeigt sich im Gebrauch des vielen ohne Zentrum, so dass alle probeweise so tun können, als gäbe es kein Zentrum und keine Herrschaft und keine Hierarchie, was schon einen Unterschied macht und eine Umgebung schafft. Da dem aber nicht so ist, sehen die Neuen Medien ganz schnell schön alt aus, und es wiederholt sich die Frage: wessen Hände denn da im Spiel sind und am Werk, wenn sie wirken in diesem Netz.
Die Fahne der Neuen Medien ist eine glänzende Herrensocke. Und der Duft der schönen, neuen webweiten Welt bringt einen Geruch in die Nase wie er typisch ist für die Umkleidekabinen von Fussballklubs nach dem Spiel.



So bleibt wohl wieder das Inhaltliche beim alten, bei der Wiederkehr des Immergleichen, in dem die Unterschiede problematisch werden und alle Differenzen aufgelöst in Eines und ein Bild des Vereins. Dabei wäre doch das, was der Umgang und Gebrauch mit den Neuen Medien lehrt, ganz gut zu gebrauchen und müsste sich nicht in ein ideales Spiel der Gedanken oder Künste verflüchtigen oder sich in einem WeltWeitenWarten auf den Chip, der da kommen wird, leerzappen.
Die Grenze kann kein Gesetz ziehen, sie kann nur selbst gezogen werden von den einzelnen und gemeinsam, von denen, die sich selbst zu eigen sind und daraus ein Gesetz des einzelnen machen: In ihm bin ich für mich und auch für andere da und offenbar nicht bloss eine oder einer und auch keine abstrakte Allgemeinheit, weil in mein Sein ein Unterschied eingebaut ist, um das, was einem eigen und mit anderen gemeinsam ist, trennen und verbinden zu können. Denn es bedarf des Anderen, damit es zu etwas Gemeinsamem kommen kann, also eine Person zu finden, die etwas, das man mag, macht, tut, ist, tatsächlich mag. Der Treffpunkt wäre das Dritte, die gemeinsame Sache, nicht der gemeinsame Nenner. Das kann der öffentliche Raum sein, in dem sich die Individuen mit denselben Gegenständen befassen, was schon einen Zusammenhalt ergeben kann, dessen unterschiedliche Wahrnehmung das Gemeinsame ausmachen und bewirken kann. Das heisst: kommunizieren.



So wäre die Festplatte wie ein Tisch, um den sich alle versammeln können zur Party oder sonst zu einer Partie, und Dinge zu finden wären, mit denen jeder und jede etwas anfangen kann, und einen neuen Anfang machen. Die Gebrauchsweisen sind nicht in die Platte eingeritzt, sondern hängen von den Verbindungen ab mit diesem oder jenem, und dies hat wieder mit der Falte zu tun. Der Tat: falten und falten und falten. Und dann kann keiner mehr sagen: alles nur geklaut, dann ist das Netz gewoben, wie es ihnen gefällt. Drum nehmt euch, was ihr wollt.








Mit Dank vor allen anderen an:
Shakespeare, Gilles Deleuze, Vilém Flusser,
Hannah Arendt, Gertrude Stein und Wittgenstein
und die Prinzen, Giulio Paolini, Sherrie Levine,
Jürgern Klauke, Lawrence Wiener, Sophie Calle und Katherina Fritsch.

Literatur
Judith Butler (1990), Unbehagen der Geschlechter, Suhrkamp 1991
Gilles Deleuze (1968), Differenz und Wiederholung, Fink 1992
Sören Kierkegaard (1843), Die Wiederholung, eva 1984
Jaques Lacan (1953), Schriften I, Suhrkamp 1975
Gertrude Stein (1935), Porträts und Wiederholung, in: Was ist
englische Literatur, Arche 1985


Abbildungen Seiten 216-228:
&Mac183; Marion Strunk, KLEPTO Mani TURM, Arbeiten 1996-97.
&Mac183; Text erschienen in: Marion Strunk (Hg): Bildergedächtnis/Gedächtnisbilder, Edition Howeg 1998.