Shirana Shahbazi
* 1974, lebt in Zürich

International bekannt geworden ist Shirana Shahbazi mit Fotografien, die in Teheran, der Stadt ihrer Kindheit, entstanden sind. Die Fotoserie Gotfare Nik/Good Words (2000) umfasst Bilder aus dem iranischen Alltag: Menschen, Landschaften, Stadtansichten, die eine Welt vor Augen führen, die uns in Europa fremd und gleichzeitig doch auch sehr vertraut erscheint. Ausgewählte Fotografien hat sie im Iran von Plakatmalern in Grossformate bringen lassen, mit der Erwartung, dass es bei dieser Übersetzung ihrer Bilder in Iran zu einer kulturspezifischen visuellen Interpretation kommen würde. Im Jahr 1985 hatten die Eltern von Shahbazi Iran mit ihren Kindern verlassen und sich in Deutschland niedergelassen. Als Studentin kam Shirana Shahbazi 1997 nach Zürich, wo sie seither lebt und arbeitet. Sie ist Künstlerin und durchaus auch eine klassische Fotografin: Mit analogen Techniken arbeitet sie an Bildern, die ihre umfassenden und soliden Kenntnisse des fotografischen Handwerks belegen. Ihre Bilder verwendet sie konzeptuell, etwa indem sie diese in unterschiedliche technische Träger übersetzen lässt, zu mehrteiligen Werken anordnet und diese als Installation ausstellt. Zu ihrer faszinierenden und für das Verständnis von Bildern aufschlussreichen Arbeit am Bild gehört auch die Auswahl und fotografische Inszenierung von alltäglichen Objekten. Gegenständlichkeit und Abstraktion werden von Shahbazi nicht gegeneinander ausgespielt, sondern bilden ein von der Künstlerin für ihre Arbeit gesuchtes Spannungsfeld. Die Ästhetik der Objektfotografie trifft auf ein künstlerisches Interesse an der Verwendung von Bildern.

Ihre Intervention aus Farbfolien in Amden thematisiert das durch den rohen Bretterverschlag des Weidgadens in den Raum einfallende Licht. Erstmals überhaupt realisierte sie eine Ausstellung, ohne auch nur eine Fotografie zu zeigen. Im Obergeschoss des Gebäudes hatte sie alle Lücken zwischen den Brettern der Aussenwand, auch kleinste Risse im Holz, jede Stelle, an der Licht in den Raum hätte einfallen können, mit unterschiedlich dimensionierten Stücken der erwähnten Farbfilterfolien abgedeckt. Die Folien wurden von Hand auf Mass, meistens in lange Streifen geschnitten und mit wenigen Stahlstiften im Innern des Raumes auf der gezimmerten Holzverplankung befestigt. Von jeder Grundfarbe verwendete die Künstlerin in freier Improvisation unterschiedliche Töne. Realisiert wurde die Installation von Shahbazi und vier Mitarbeitern in einem Tag. Von aussen war das Werk nicht wahrnehmbar, die Scheune stand scheinbar unverändert wie eh und je in der Berglandschaft. Umso stärker war die Erfahrung des farbigen Lichtes beim Betreten des Hauses. In einem Text über den amerikanischen Künstler James Turrell kommt Georges Didi-Huberman auf die verglasten Fenster und das Licht in gotischen Kathedralen zu sprechen und spricht von der Erfahrung, im Licht zu gehen, die die Menschen im 13. Jahrhundert tiefer berührt habe als die wegen der grossen Entfernung kaum erkennbaren figürlichen Darstellungen und deren komplexen Inhalte. Es war kein sakraler Raum, den Shahbazi in diesem einfachen Bau geschaffen hatte. Das Innere des leerstehenden Speichers war zwar buchstäblich in ein anderes, buntfarbiges Licht getaucht, doch ohne die Banalität der Situation, die Spuren und die vor Ort verbliebenen Reste der landwirtschaftlichen Nutzung zu überblenden. Es blieb ein durch und durch profaner Raum. Die Wanderung der Sonne im Tagesverlauf von Osten nach Westen und die Intensität des Sonnenlichtes bildeten sich im Innern des Hauses ab und veränderten Orientierung und Atmosphäre. Hell leuchtende Farbreflexe bewegten sich langsam über den Boden. Die Arbeit forderte Aufmerksamkeit und Betrachtungszeit ein. Wie andere räumliche Kunstwerke auch, hatte sie eine doppelte Identität, nämlich sowohl Bild zu sein als auch einen Ort zu bilden.

Das Werk war prozessual angelegt: Während der Ausstellung nutzte die Künstlerin die Installation als Studio. Entstanden sind einerseits Fotografien, die unterschiedliche Lichtsituationen in der inzwischen abgebauten Arbeit dokumentieren, andererseits arbeitete die Künstlerin in der Installation an Fotografien, die als autonome Werke in einem anderen Zusammenhang ausgestellt werden können.



Text: Roman Kurzmeyer, 2013