Pawel Althamer
* 1955, lebt in New York

In der kleinen Berggemeinde Amden befindet sich eine der ungewöhnlichsten Kunsthallen der Welt - in einer ehemaligen Scheune, die nur zu Fuss erreichbar und Tag und Nacht geöffnet ist. Jeweils im Sommer lädt der Kurator Roman Kurzmeyer internationale Künstler ein, ortsbezogene Installationen zu schaffen.

Zu den Gästen gehört nun auch die in New York lebende Polly Apfelbaum, bekannt für ihre abstrakten Installationen mit bunten Textilien und Papieren. In Amden geht die Künstlerin allerdings von einem Buch aus. ‹Haunted House› besteht aus einem Sammelsurium von Geisterhausimpressionen - digitalen, über Google gesammelten Bildern. Diese analysiert sie und versucht herauszufinden, warum ein unbewohntes Haus oft beängstigend wirkt und was hier lauern könnte. In monatelangen Selektionsverfahren erstellte sie einen Posteratlas mit 375 Motiven. «Das Internet ist gefüllt mit Geistern, die sich nie materialisieren, und ich wollte ein paar ins Leben rufen», erläutert die Künstlerin. Abbildungen von Notizen, Reisefotos, Spielzeugen und Haustieren beschwören zudem eine imaginäre Lebensgeschichte. 

Die Kunsthalle verfügt weder über Elektrizität noch einen Wasseranschluss. Eine digitale Welt - von unergründlichen Quellen mit unzählbaren Bildern überschwemmt - scheint hier unvorstellbar. Dieser Gegensatz verleiht Apfelbaums Ausstellung die Spannung: Die Weite der umliegenden Natur kontrastiert mit den dicht geballten Impressionen im Inneren der Scheune. Jeder Winkel, alle Holzwände und Balken sind mit Buchseiten aus aller Welt bedeckt. Spärlich einströmendes Tageslicht führt überdies zu einer Dramatisierung und Mystifizierung der Installation. Darüber hinaus laden die oft wechselnden Wetterlagen, welche man über die Berge heranziehen sieht, den Dialog mit der Umgebung zusätzlich auf. 

Die Arbeiten ermuntern aber nicht nur den gedanklichen Austausch. Besucher dürfen von den ausgestellten Postern eins auswählen und mitnehmen. Kaum zentriert, werden so die Arbeiten wieder in die Welt hinausgeschickt. In ‹Haunted House› geht es um das Gefühl, an einem Ort zu sein, ihn zu erfahren und sich selbst in ihm. Obwohl alle Bilder in digitaler Form am Computer zusammenkamen, ist das Erlebnis der Installation körperlich und geistig. «Es interessiert mich, dass ein Geisterhaus sowohl in unserem Kopf wie in einer digitalen Welt existieren kann», sagt die Künstlerin, und ihre Ausstellung zeigt, dass ein solcher Ort inspirierend realisiert werden kann. So mag sich ‹Haunted House› kurzzeitig an einem reellen Platz befinden, hauptsächlich geht es der Künstlerin aber darum, das Zufällige und das schwer Spezifizierbare in wechselnden Bildformationen auszudrücken. 

Text: Stephanie Buhmann, 2011