Adrian Schiess
* 1959, lebt in Mouans-Sartoux, Frankreich

Die Ausstellung von Adrian Schiess in Amden entsprach seinem instrumentellen Kunstbegriff. Seine Malerei handelt von den transitorischen Eigenschaften von Farbe, Raum und Licht. Die ausgestellten Arbeiten machten sichtbar, wie Licht in den Raum einfällt, und dass die Erscheinung und der Tonwert von Farbe von der Lichtqualität abhängen. Adrian Schiess arbeitet an der Entgrenzung der Malerei und hat dennoch nichts anderes als Malerei im Sinn. Die ausgestellten Arbeiten wurden von einem Spritzwerk nach Farbmustern des Künstlers hergestellt. Vorgefundene Bretter und – erstmals in dieser Ausstellung – Fallholz aus dem nahegelegenen Wald verwendete er, um die Platten, die er liegend zeigte, im Raum zu installieren. Die weichen PVC-Platten legten sich wie eine Haut über das Astwerk und bildeten in seiner Arbeit bislang nie gesehene Volumen, die wiederum überraschende Farbräume und Lichtreflexe ermöglichten.

Adrian Schiess thematisierte in seiner Ausstellung, was Maler schon immer interessiert hat: Licht. Im Unterschied zum traditionellen Landschaftsbild war in dieser Arbeit aber die Realzeit massgebend. Die Farberscheinung, die unser Bild der Situation prägte, passierte vor uns. An diesem speziellen Ort über dem Walensee interessierte den Künstler die Nähe zu den Naturkräften, zu Wind und Wetter, die Masse an Grün, das durch den rohen Bretterverschlag gefilterte Naturlicht im Gaden und natürlich der See, der wie seine im Gaden ausgestellte rote Aluminiumplatte als eine in die Berglandschaft eingebettete farbige, Licht reflektierende Fläche erscheint. Malerei ist für ihn eine Arbeit an der Oberfläche und deren Interaktion mit dem Umraum und dem Betrachter. Das Bild macht nicht er als Künstler, das Bild entsteht erst in der Wahrnehmung durch den Betrachter. Malerei ist für ihn ein Prozess, den er als unabschliessbares Kontinuum wahrnimmt. Die glänzende, spiegelnde Wasseroberfläche des Sees erinnerte ihn an ein noch feuchtes Gemälde, das jederzeit verändert werden könnte.

Seine Arbeiten sind auf ein konzentriertes zeitintensives Sehen ausgerichtet, da sie sich mit wechselndem Licht verändern, und deshalb waren sie auch an diesem abgelegenen Ort über dem See besonders gut wahrnehmbar. Der Betrachter, der hierher kommt, bringt genug Zeit für ihre Wahrnehmung mit und ist nach seiner Wanderung sensibilisiert für Licht und Farbe. Diese Ausstellung zeigte aber auch die Grenzen der Malerei. Wie vom Künstler erwartet, lagerten sich Staub und Schmutz auf den spiegelnden Oberflächen ab und führten vor Augen, dass Malerei, selbst wenn sie in der Landschaft entsteht, normalerweise doch immer für die Wahrnehmung in einem geschützten Innenraum geschaffen wird. Erinnert man sich allerdings daran, dass er immer schon mit der Interrelation von Artefakt und Umgebung arbeitete, und denkt an die seit einigen Jahren entstehenden Materialbilder, dann wird deutlich, dass es eine zwingende Konsequenz seines Kunstbegriffs ist, jede Art von Veränderung des Werks zuzulassen, wenn sie durch die Bedingungen am Ort seiner Ausstellung verursacht wird.

Während der Wintermonate zeigte Adrian Schiess innerhalb seiner erneuerten Installation zusätzlich Aquarelle (Winterlandschaften), die er im Januar in Amden malte. Die Ausstellung schloss nach genau einem Jahr, am 20. Mai 2006.

Text: Roman Kurzmeyer, 2006


Download Pdf: «Roman Kurzmeyer im Gespräch mit Adrian Schiess»
Erschienen in: Adrian Schiess – Flache Arbeiten 1987-1990, Aarau: Aargauer Kunsthaus, 2007, S. 7-43.